Allergisch auf Netrebko
Interview: Die Klarinettistin Sabine Meyer ist eine internationale Klassik-Größe. Am Mittwoch ist sie im Robert-Schumann-Saal zu hören.
Westdeutsche Zeitung: Frau Meyer, mögen Sie eigentlich Mozarts Klarinettenkonzert noch spielen?
Sabine Meyer (lacht): Immer noch. Wir Klarinettisten haben zwar nicht besonders viele Werke, aber das wenige, was wir haben, ist einfach sehr gewichtig und gehaltvoll. Und das Klarinettenkonzert von Mozart ist nun einmal das letzte Stück, das er vollendet hat - ein Werk, das man sein Leben lang spielen kann, ohne dass es einen je ermüden würde.
Sie haben also Verständnis, dass sich Veranstalter bei der Auswahl von Klarinetten-Solowerken fast jedes zweite Mal für dieses Werk entscheiden?
Meyer: Das kann ich nachvollziehen, weil es einfach ein tolles Stück ist. Allerdings bin ich auch jemand, der schon immer mal wieder den Veranstaltern sagt: Hört mal, es gibt auch noch andere Stücke als das Mozart-Konzert - lass’ uns doch mal das Nielsen- oder Copland-Konzert spielen.
Nun erreichen ja solche zeitgenössischen Konzerte nur selten die Lebensdauer eines Mozarts, sondern verschwinden allzu oft spätestens nach 30 Jahren wieder in der Versenkung.
Meyer: Na, warten wir mal ab - noch sind die 30 Jahre ja nicht vorbei. Ich bin sicher, dass zeitgenössische Komponisten wie Rihm, Eötvös, Isang Yun oder Ligeti sehr wohl die entsprechende kompositorische und musikalische Substanz haben, um sich auch dauerhaft durchzusetzen.
Ein großer Teil des Publikums tut sich dennoch schwer mit diesen ungewohnten Klängen...
Meyer: Natürlich - das ist ja auch keine Musik, bei der man sich zurücklehnen kann und sie gleich beim ersten Mal begreift. Aber wenn es gut komponiert ist, hört ein interessierter Zuhörer auch die Originalität heraus und erkennt, dass es sich um gute Musik handelt.
Ihnen werden häufig Stücke von jungen Komponisten angetragen - gibt es da K.O.-Kriterien, die ein Werk von vornherein für eine Aufführung ausscheiden lassen?
Meyer: Es gibt da zwei Richtungen: Das eine sind diejenigen, die sehr traditionell komponieren - das klingt wie Skrjabin und könnte auch vor hundert Jahren geschrieben worden sein. Das hat nichts mit Neuer Musik zu tun und das lehne ich dann auch ab. Das andere Extrem ist, wenn es allzu experimentell wird - ich habe einfach keine Lust, die Klarinette auseinander zu bauen, nur noch zu singen oder mich zur Hälfte ausziehen zu müssen.
Aufmerksamkeit erregen um jeden Preis - ein Mittel, auf das ja auch die Musikindustrie in den letzten Jahren zunehmend zurückgreift...
Vita: Deutschlands "First Lady der Klarinette" wurde 1959 in Crailsheim geboren. Sabine Meyer gehört heute zu den renommiertesten Instrumentalsolisten weltweit. Sie lebt mit ihrem Mann, dem Klarinettisten Rainer Wehle, und den Kindern Alma und Simon in Lübeck.
Konzert: Im Schumann-Saal (Ehrenhof) ist Meyer morgen, 20 Uhr, mit dem Vertavo Quartett sowie Dag Jensen (Fagott), Bruno Schneider (Horn) und Alois Posch (Kontrabass) zu hören. Karten unter Tel. 0211/8996123.