Das Schaudern beim Küssen

Sandra Vasquez de la Horra stammt aus Chile und lebt in Düsseldorf. Sie steht vor dem Sprung in die Welt-Elite.

Düsseldorf. Einer schlanken, jungen Frau stehen die Haare zu Berge. Ihr schaudert, ihre rechte Hand ist vor Angst und Schrecken gespreizt. Trotzdem zieht sie einen Totenschädel an ihr Kinn, als wollte sie ihn gleich küssen. Was für eine Liebe muss das gewesen sein, über den Tod hinaus!

Ein paar Schritte von dieser Zeichnung im museum kunst palast entfernt hängt ein Boxsack an einer Kordel. Ein Kopf baumelt aus diesem Sack heraus, als sei er gerade erwürgt. Derlei ungewöhnliche Bilder entspringen der Phantasie von Sandra Vasquez de la Horra.

Die in Düsseldorf lebende Künstlerin aus Chile ist eine Ausnahme-Erscheinung, eine geniale Zeichnerin auf dem Sprung in die Welt-Elite. Ihre Werke zeigen den Übergang vom Traum zum Alptraum, vom Kult zur Kultur, vom Menschen zur Hexe oder zum Teufel.

Ihre Vampire, Zwerge, Geister, Gespenster und Totenköpfe gehen unter die Haut. Dennoch sind es keine Effekt-Hascher, sie haben nichts mit Angsterzeugern der heutigen Spaß-Gesellschaft zu tun. Sie lassen sich weit zurückverfolgen zu den religiösen und folkloristischen Festen, Maskenspielen und Ritualen in de la Horras Heimat.

Die Bilder dieser Künstlerin sind mit einer für uns fremden Magie aufgeladen, die sich nicht beim Defilee an den Bildern abschütteln lässt. Sie haben eine Wirkung wie der Seeigel auf einem ihrer Blätter: Sie saugen sich im Gehirn fest.

"Meine Bilder sind einsam", sagt Sandra Vasquez de la Horra. Sie isoliert die Figuren. Einsam sitzt das Kind auf dem hölzernen Stuhl und ragt nur mit dem Hinterkopf über die Lehne hinaus. Wo mehrere Personen auf den Bildern existieren, gibt es kaum einen Dialog.

Die Alten mit dem Stock stützen sich Rücken an Rücken. Der Marionettenspieler fesselt seine Puppen. Der Kopf, der sich aus dem Bauch der Frau herausgeschoben hat, erlebt die Geburt in die Welt als eine angstvolle Situation. Auf einigen der Bilder haben die Figuren das Verlangen, selbst als ausgewachsene Menschen in den Schoß der Mutter zurückzukehren.

In ihrer Welt der Vampire, Clowns und Verhüllten überleben nur Tiere wie der Fuchs. Er gehört zu jenen Wesen, die "stehend geboren" werden, wie ein chilenisches Sprichwort lautet. Es bedeutet in der Geisteshaltung der Chilenen: Der Fuchs taugt für diese Welt, weil er schlau genug ist, um sich zu verstellen beim Kampf um das Überleben. Er taucht bei ihr immer wieder auf.