Das Verzetteln in Vollendung
Kabarett: Enzyklopädischer Rundumschlag: Piet Klocke im Savoy Theater.
Düsseldorf. Die Stilkunst kennt den Begriff des "Darstellens durch Weglassen". Wohl kaum ein anderer Komiker kann diesen Anspruch so konsequent umsetzen und mit seinen unvollständigen Sätzen derart eloquent von so vielen Themen erzählen wie der ungeschlagene Meister des nicht gesprochenen Wortes Piet Klocke. Im bis auf wenige Plätze ausverkauften Savoy Theater zeigt der Essener Sentenzenschredder erneut in Vertretung für Professor Schmidt-Hindemith ein glänzendes Beispiel nach dem anderen für das erzählerische Verzetteln in Vollendung. Er liefert verbale Rohrkrepierer auf höchstem Niveau im Sekundentakt, quer durch alle Themengebiete.
Sein hektischer Erzählfluss treibt ihn dabei zunächst von der Musik und ihrer Wirkung auf den Menschen über die Gleichberechtigung von Mann und Frau bis zur Evolution. Er kann sich aber auch immer noch wunderbar über Kleinigkeiten echauffieren, wie etwa die vermeintlich arbeitsfaulen Hummeln, die während ihres Winterschlafes an seiner Geduld rütteln. Themen, die der hagere Mann in seinem furchtbar karierten Anzug und der quietsch-grellen Krawatte mit dem scharfen Schwert des semantischen Harakiri im Handstreich abhandelt.
Einmal in Fahrt, holt Klocke in den zwei Stunden eigentlich zum enzyklopädischen Rundum-Schlag über so ziemlich jedes Thema aus, oft ineinander verschlungen, natürlich keines zu Ende gebracht und gerne in abstrusen Wendungen versickernd. Eine "angewandte Lufttherapie" wird da gerne als "Wandern im Harz mit den Schwiegereltern" enttarnt. Und während sich die Sätze in den Gehirnen der Zuhörer erst noch vervollständigen, ist Klocke schon beim nächsten halben Thema.
Er schlägt wieselflinke Haken um schräge Kalauer, bei denen er sich vor gespieltem Schmerz beinahe selbst unter den Tisch biegt. So plaudert er über seine Zeit "als Halbleiter bei Siemens" oder seine Idee, Kleidung aus Papier zu fertigen: "Dann kann man seine Schmutzwäsche einfach an die Reinigung faxen!" Ihm zur Seite sitzt die fabelhafte Simone Sonnenschein, wie immer ins tranige Dirndl und in die Rolle des naiven Dummchens Frl. Angelika Kleinknecht geschlüpft, wie immer herausragend an Saxofon und Querflöte sowie beim Gesang.
Sie habe übrigens erst kürzlich eine Navigations-CD mit dem Titel "Gegend" herausgebracht, so Klocke, die Augen verdrehend. Für zehn Minuten schlüpft Simone Sonnenschein selbst in der Rolle des fahrigen Herrn Klocke. Zum Einstieg nach der Pause gibt sie als gelungenes Imitat mit Anzug und Krawatte sogar den Klocke-Klassiker "Das geht alles von Ihrer Zeit ab, Herrschaften" als Kommentar auf den Applaus zum Besten.
Leider tut uns der originale Piet nicht den Gefallen, daraufhin entsprechend im feschen Kleidchen auf der Bühne zu erscheinen. Immerhin ist es noch ein kurzer Bademantel, der den baumlangen Klocke einigermaßen züchtig bedeckt. Das Publikum ist begeistert, aber, wie Piet Klocke es sagen würde, "da muss man schon selbst dabei..."