Die Uni-Mensa als Kunstprojekt
Andrea Isa ist Künstlerin. Um ihre Existenz zu sichern, arbeitet sie in der Mensa. Jetzt erhob sie ihren Alltag zur Fotokunst.
Düsseldorf. Einmal am Tag wird Andrea Isa zu Frau Hechmann. Dann ist sie die Kollegin, die an der Kasse oder in der Spülküche der Uni-Mensa ihren Dienst schiebt. Neuerdings jedoch setzt sich inmitten des Arbeitsalltags immer öfter Andrea Isa gegen Frau Hechmann durch. Ganz leise meldet sich dann in der 43-Jährigen das Bedürfnis, dem anderen Teil ihrer Identität zu derjenigen Geltung zu verhelfen, die sie sonst nur im privaten Rahmen zulässt.
Schon seit ein paar Jahren arbeitet Andrea Isa in der Mensa, der Job ist hart, sichert jedoch ihr und den beiden Kindern die Existenz. Mehr wussten die Kolleginnen nicht über sie, kannten nur ihren Mädchennamen, Hechmann. Weil Andrea Isa jedoch zunehmend mit ihrer Tätigkeit in der Großküche zu kämpfen hatte, entschied sie, Arbeit und Kunst miteinander zu verbinden. Das künstlerische Schaffen, sagte sie sich, dürfe ausnahmsweise einmal therapeutisch wirken.
Ein Jahr lang brütete sie über dem „Mensa-Projekt“, dann begann sie, Collagenbilder zu erstellen, die sich aus bis zu 1200 kleinsten Aufnahmen zusammensetzen. Fotos von Spinden, Regalen, Kollegen, von der riesigen Spülmaschine. „Es ist so etwas wie eine Hommage an die Küchenfrau“, sagt Isa. Eine Auseinandersetzung mit der einen ihrer zwei Welten.
Andrea Isa wird im Sauerland geboren. Die Eltern haben einen Bauernhof, die Tochter muss mit anpacken. Später macht sie eine Ausbildung zur Fotolaborantin, holt auf dem Abendgymnasium ihr Abitur nach und geht nach Israel, um dort Kunst zu studieren. „Für ein Mädchen vom Lande, das von nichts eine Ahnung hat, war es das ganz große Abenteuer.“ Wie Columbus fühlt sie sich, stürzt sich auf alles, was sich ihr an Neuem bietet. Sie heiratet, lernt Hebräisch und Arabisch und beschäftigt sich mit Ornamentik. „Israel waren vielleicht meine wichtigsten Jahre.“
2002 jedoch trennt sich das Ehepaar. Andrea Isa geht zurück nach Deutschland und zieht nach Düsseldorf. „Dieser Bruch ist mir sehr schwer gefallen. Ich habe Jahre gebraucht, um mich zu berappeln.“ Ihr künstlerisches Schaffen lässt sie erst einmal ruhen. Sie braucht dringend einen Job, findet ihn in der Uni-Mensa. Und sie wird Mitglied im Kunstverein Plan D., der an der Dorotheenstraße eine Galerie betreibt.
Meisterschüler der Akademie und andere Künstler haben den Ausstellungsraum vor 13 Jahren eingerichtet, mit dem Ziel, dem Dialog zwischen lokalen, nationalen und internationalen Künstlern einen Ort zu geben. Isa ist zunächst gar nicht bewusst, wie eng ihr Lebensweg mit diesem Anspruch verknüpft ist. Auch das Mensa-Projekt trägt deutliche Züge ihrer Zeit in Israel. „Die Ornamentik taucht in den Fotos wieder auf“, erklärt Isa. „Meine Arbeit in der Küche ist geprägt von einem harten Rhythmus, da muss alles zack, zack gehen — in meinen Augen ein Synonym für Gestückeltes.“ Überhaupt sei die Uni-Mensa voller Ornamente — die Wasserbläschen im Suppenkessel, die großen Siebe, das Besteck. Als sie anfängt zu fotografieren, rechnet sie mit Widerstand im Kollegenkreis. „Aber die Frauen haben sehr aufgeschlossen reagiert, keine sagte Nein.“
Das Misstrauen, den Unwillen gegenüber der öden Arbeitswelt konstruktiv zu nutzen, entspricht der Lebensauffassung der Künstlerin Isa. „Ich bin nicht einverstanden mit dem, was die Welt mir bietet. Also zerlege ich sie und setze sie neu zusammen. Das Ergebnis kann eine Wahrheit sein“, sagt sie und lächelt, „es ist ein bisschen wie die Suche nach dem lieben Gott.“