Drama: Agatha Christie auf der Spur
Uni-Forscher Michael Heinze hat ein verschollenes Manuskript aufgespürt– und einen spannenden Fall.
Düsseldorf. Ihre Helden heißen Hercule Poirot und Miss Marple, ihr Talent ist legendär. Agatha Christie verfügte über eine besondere Fähigkeit, wenn es darum ging, Spannung in Literatur zu verwandeln. Jetzt wird die First Lady der Kriminalromane jedoch selbst Teil einer aufregenden Geschichte, auf die ein Wissenschaftler der Heinrich-Heine-Universität gestoßen ist.
Anglist Michael Heinze hat das Manuskript eines von Christie verfassten Theaterstücks, "Chimneys", in Kanada ausfindig gemacht und wird nun als erster Forscher überhaupt eine wissenschaftliche Arbeit darüber verfassen - pünktlich zum 120.Geburtstag von Agatha Christie am 15.September.
Bereits 2003 hatte Heinze, der sich mit kanadischen Dramen beschäftigt, in kanadischen Zeitungen gelesen, dass ein Schrifstück der britischen Schriftstellerin in einem Theater in Calgary aufgetaucht war. "Niemand kann sich bis heute erklären, wie das Manuskript nach Kanada gelangt ist", sagt Heinze. Denn überwacht wird das Archiv von Christies Enkel in London. Dort lagern sämtliche ihrer Aufschriebe.
"Interessant ist, dass die einzige Kopie des Manuskripts aus Calgary bis 1968 in der Zensurbehörde in London lag und heute in der British Library aufbewahrt wird."
Nach Auskunft von Heinze prüfte die Zensurbehörde alle Theaterstücke, bevor sie aufgeführt werden durften. "Bei ,Chimneys’, das um 1930 veröffentlicht wurde, hatte man keine Bedenken, es stand sogar auf dem Spielplan", sagt Heinze. Aufgeführt wurde es jedoch nie.
Der Wissenschaftler nimmt sogar an, dass Christie das Stück selbst zurückgezogen hat. "Es war wohl zu politisch für die damalige Zeit", nimmt er an. Denn in "Chimneys" geht es nicht nur um Mord auf dem Balkan, sondern auch um die unrühmlichen Interessen der britischen Regierung an Öl.
Heinze vermutet, dass eines der beiden Manuskripte über den Agenten von Agatha Christie nach Kanada gelangt ist. "Er hatte Kontakt zu einer Schauspielerin dort, die jedoch inzwischen tot ist." Vielleicht hat Christie aus Vorsicht den Kontakt in ein anderes Land gesucht, um "Chimneys" doch noch auf die Bühne zu bringen.
Heinze wird weiter versuchen, es herauszufinden. Auf bestehende Literatur kann er dabei jedoch nicht zurückgreifen, denn bislang hat sich kein Wissenschaftler an den Stoff herangewagt.