Märchenwochen in Düsseldorf „Gutes Erzählen kommt von Herzen“

Düsseldorf · Schneeköniginnen, Drachen, Prinzen: In Düsseldorf sind Märchenwochen. Zwei Erzählerinnen erklären, wie man zeitgemäß vorliest.

„Mit Märchen kann man träumen“, sagt Erzählerin Franziska Fabula.

Foto: Franziska Fabula

Wer Märchen für veraltet hält, sollte sie nicht vorlesen. In diesem Punkt sind Franziska Fabula (36) und Franka von Werden (36) kategorisch. „Gutes Erzählen kommt von Herzen. Es ist die Voraussetzung, um etwas zu transportieren“, sagt Fabula. Dann spiele es keine Rolle, ob die Geschichte frei vorgetragen oder vorgelesen werde.

Schauspielerin und Sängerin Franka von Werden.

Foto: Leo Kammer

Von Schnee und Tieren, Freundschaft, Mut und Glück erzählen Fabula und Werden in diesen Tagen ihren Zuhörern bei den Düsseldorfer Märchenwochen: 32 Erzählstunden, Konzerte, Workshops und Mitmachaktionen gibt es bis 13. Februar in den städtischen Kinder- und Jugendeinrichtungen. Seit 2004 gibt es das Angebot. 

Sind Märchen in Zeiten Tonieboxen, Netflix und Youtube noch zeitgemäß? „Ja, aber die Geschichten dürfen im modernen Gewand daherkommen. Man darf sie der Zeit anpassen“, sagt Schauspielerin und Sängerin von Werden, die zu einigen Mitsing-Erzählkonzerten einlädt. „Dornröschen war ein schönes Kind“ gehöre in ihr Repertoire ebenso wie eine Eigenkomposition der „Bremer Stadtmusikanten“, „Let it go“ aus „Die Eiskönigin“ und „Hakuna Matata“ aus „Der König der Löwen“.

„Vieles ist durch die Disney-Filme aufgeweicht“, sagt sie. Mit dem Bösewicht gehe man heute versöhnlicher um, und auch bei den Rollenbildern müsse man manchmal aktualisieren. Die schöne Prinzessin müsse nicht immer vom starken Prinzen gerettet werden. Zugleich liebten kleine Mädchen gerade die Prinzessinnen, meint Fabula: „Wenn die Mischung stimmt und die Kinder auch andere zeitgemäße Geschichten hören, darf es mal weniger divers zugehen.“

Beide Erzählerinnen haben schon ihre eigenen Fabel-Variationen gedichtet. Franka von Werden hat ihr Lieblingsmärchen, die „Bremer Stadtmusikanten“, für die Bühne in eine zeitgemäßere Fassung gebracht: „Die Tiere sind nicht alt und gebrechlich, sie nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand. Die Katze etwa will vegetarisch leben“, sagt sie. Fabula hat „Dornröschen“ umgedichtet – eine junge Frau wird von einer anderen jungen Frau gerettet. Fabula: „Beim Ende füge ich ein, dass Prinz und Prinzessin sich kennenlernen und dann beschließen, zu heiraten.“ Da werde nicht einfach Hochzeit gehalten.

Fabula glaubt an die
zeitlose Kraft der Märchen

Was das Schicksal des traditionellen Märchenguts, etwa der Brüder Grimm, angeht, ist von Werden pessimistisch: „Ich fürchte, dass viel Althergebrachtes verloren geht. Dafür gibt es neue kreative Geschichten von mutigen Hexen und schlauen Zauberern.“ Einige Klassiker – wie „Aschenputtel“, „Hänsel und Gretel“ oder „Dornröschen“ – würden sich halten. Franziska Fabula dagegen glaubt an die zeitlose Kraft der Märchen. „Sie sind Bildungsgut. Die Unesco hat sie nicht grundlos 2016 zum immateriellen Kulturerbe erklärt“,

Die professionelle Erzählerin glaubt auch nicht, dass Märchen eines Weichzeichners bedürfen. „Sie dürfen grausam sein. Wissenschaftliche Studien haben immer wieder gezeigt, dass es gut ist, wenn die böse Hexe stirbt. Das trägt die Botschaft: Das Böse ist tot und kehrt nicht zurück.“ Märchen erzählten zugleich vom wahren Leben, dem Überwinden von Schwierigkeiten, Abenteuerreisen. Dabei sei Hilfe wichtig – verkörpert von verzauberten Gegenständen oder mythischen Figuren – und Vertrauen. „Es spiegelt unser aller Leben wider“, sagt Fabula.

Wenn man Märchen vor dem Einschlafen erzähle, sei ein gutes Ende wichtig. „Ich mochte die traurigen Kunstmärchen von Hans Christian Andersen früher nicht“, so Fabula. Das Happy End sei nicht nur kleinen, sondern auch großen Zuhörern wichtig. „Märchen vorlesen ist wichtig. Es ist gut, wenn ein Ritual, ein vertrautes Gefühl, dabei entsteht“, sagt Werden.

Die Erzählerinnen wissen, dass Kinder heute stark visuell geprägt sind. „Es werden viele Filme und Hörspiele konsumiert“, so von Werden. Das verändere die Erwartung. „Wenn bei uns eine Frau im blauen Kleid auf die Bühne kommt, dann rufen alle sofort: ,Elsa!‘ Und wenn man die Schneekönigin spielt, wird sofort nach Olaf dem Schneemann gefragt“, erzählt sie. Franziska Fabula greift bisweilen in die Requisitenkiste. „Goldene Ketten oder rote Tücher aus einer Schatztruhe finden viele Kinder faszinierend. Das regt die Fantasie an.“

Es geht aber auch ohne alles. Das erlebte Werden bei einer Bühnenproduktion von „Peterchens Mondfahrt“: „Wir standen vor der Frage, wie wir eine Mondkanone zeigen. Wir haben sie schlussendlich rein pantomimisch dargestellt. Unsere unsichtbare Mondkanone kam gut an. Man kann Kindern in Sachen Fantasie unheimlich viel zutrauen.“