Düsseldorfer Buchhändler zeichnet kleinen Corona-Cartoon Wenn Comicfiguren trösten müssen

Düsseldorf · Die gezeichneten Büchermännchen von Rudolf Müller sind im Lockdown zu neuem Leben erwacht. Jetzt hat der Buchhändler einen Cartoon der Hoffnung für 2021 geschaffen.

Ein kleiner, aber tiefsinniger Corona-Cartoon.

Foto: R. Müller/Rudolf Müller

Eigentlich trafen die zwei Männchen als ein persönlicher Gruß bei uns ein. Doch dann entwickelten sie ihr kleines, verzwicktes Eigenleben. Stellten uns Fragen. Wollten partout keine Ruhe geben. Ließen einfach nicht locker. Und wenn es uns schon so ergeht, dann könnte es doch auch anderen Menschen „in diesen Zeiten“ (wie es ein wenig diffus so oft heißt) ganz ähnlich ergehen. Darum sollen sich die Männchen selbstständig machen und ruhig auch unseren Lesern einen Besuch abstatten.

Also: Der Düsseldorfer Buchhändler Rudolf Müller hat sie gezeichnet, wie er sie schon zum ersten Lockdown aufs Papier brachte. Mit dürren Beinen, riesigem Kopf und enormer Nase. Männchen, die so aus der Wäsche schauten, als wüssten sie immer irgendwie etwas mehr als wir. Kleine, wunderbare Buchgeschichten ließ Rudolf Müller mit ihnen auferstehen, die er in seiner für ihn bezeichnenden Art als „so kleine Sachen für die Kunden“ bezeichnete. Das hört sich an, als hätte ein Buchhändler auf der Ladentheke seines geschlossenen Geschäfts mit dem heiteren Kritzeln begonnen.

Mal wieder weit gefehlt: Denn Rudolf Müller ist mit Comics sozialisiert worden und hat bereits in seinen Kölner Jahren schon illustriert und Zeichnungen veröffentlicht. Damals studierte er in der Domstadt Kunst, Literatur- und Theaterwissenschaft, das Tor zur Welt stand also sperrangelweit offen, und die Comicfiguren waren die dazugehörigen Freigeister.

Männchen im Comic tragen vorbildlich Masken

Als etliche Jahre später dann coronabedingt viele Türen geschlossen werden mussten, meldeten sich die weisen Großnasen wieder zu Wort. Und jetzt liegen zwei von ihnen vor mir auf dem Schreibtisch. Sie sind einander zugewandt und doch getrennt von einem Kästchen, das gefüllt ist mit Herzen. Nach oben wird es luftiger, als stiegen sie himmelwärts. Ein Comic-Triptychon, wenn man so will, über dem hinlänglich bekannte Vokabeln aus dem Corona-Wörterbuch stehen: „Bitte Abstand halten“. Über jedem Kästchen ein Wort, und nimmt man nur die beiden Maskenträger-Männchen, liest man „Bitte halten“. Die Herzen sind der Abstand, verbindend oder trennend – so genau weiß man es eben nicht. Auf jeden Fall sind sie „mit Abstand“ das Herzlichste.

Vielleicht sind sie auch die herzliche Bitte an uns, Respekt zu zeigen, solidarisch zu sein und ausgerechnet mit der gebotenen Distanz unsere Nähe zu allen Mitmenschen zu zeigen. Im Abstand liegt der Anstand. Wie jeder, der schreibt oder zeichnet und sonstwie sich künstlerisch auf unsere Zeit und unsere Welt einen Reim zu machen versucht, gibt auch Rudolf Müller kein Deutungsangebot. Die Männchen sind in der Welt, beanspruchen Aufmerksamkeit, reizen zum Selbstgespräch.

Wie herzlich verhalten wir uns eigentlich Tag für Tag? Wie eng beherzigen wir die so kühl behördlich klingende Anweisung „Bitte Abstand halten“? Welche Spuren hinterlassen sie bei uns? Und welche Hoffnungen schenken uns die vielen Herzen?

Momentan sei ja wenig los, sagt uns Rudolf Müller. In der Stadt, der Altstadt und der Literaturhandlung, die im Heine-Haus vor etlichen Jahren ihre Herberge fand. Lesungen mussten zuletzt auch dort abgesagt werden.

Wenn Wünschen etwas helfen würde, dann fielen ihm aber sofort viele Autoren ein. Auf der Liste weit oben stünde dann beispielsweise die große österreichische Erzählerin Monika Helfer, deren Lesung aus ihrem ersten Roman („Die Bagage“) bereits coronabedingt abgesagt werden musste, wie auch die Lesung aus ihrem viel gerühmten zweiten Roman „Vati“. Vielleicht klappt es, bevor ihr dritter Roman erscheint, hofft Rudolf Müller. Aber dann eine Lesung zusammen mit ihrem Ehemann, dem vielfach ausgezeichneten Schriftsteller Michael Köhlmeier. Sein jüngstes Buch heißt „Gedankenspiele über das Gelingen“.

Tja, wobei auch dieser Titel ein formidables Motto der beiden abstandswahrenden Männchen fürs kommende Jahr 2022 wäre.