Sie haben Ihre „Weltenbrand“-Tournee an Ihrem 72. Geburtstag (1. Juni) gestartet. Ist das Alter für Sie ein Thema?
Konstantin Wecker „Meine Wurzeln in der klassischen Musik habe ich nie vergessen“
Düsseldorf · Interview Konstantin Wecker kommt mit dem Kammerorchester der bayerischen Philharmonie in die Tonhalle.
Konstantin Wecker ist ein Künstler, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Der streitbare Komponist, Sänger und Schauspieler kommt am 4. November mit einem Herzensprojekt in die Tonhalle. Für seine aktuelle Tournee „Weltenbrand“ steht der Münchner mit dem Kammerorchester der bayerischen Philharmonie auf der Bühne. Im Gespräch mit der WZ verrät der zweifache Vater, warum er seine musikalischen Wurzeln in der Klassik hat und ihr bis heute treu geblieben ist.
Konstantin Wecker: In der Kunst und auf der Bühne ist das Alter kein Thema. Privat ist es natürlich eins. Neben vielen Nachteilen, die das Alter so mit sich bringt und über die wir gar nicht reden müssen, hat es auch Vorteile. Ich nehme mich persönlich nicht mehr annähernd so ernst wie früher. Umso ernster nehme ich aber das, was ich zu sagen habe. Man wird sich bewusst, dass man im Verlauf von 70 Jahren durch sehr viele Egos gewandert ist und keines war so, wie man es sich vorgestellt hat (lacht).
Sie werden mit dem Kammerorchester der Bayerischen Philharmonie auf der Bühne sein. Was reizt Sie an diesem Projekt?
Wecker: Das Kammerorchester ist ein absolutes Wunschprojekt von mir. Ich bin seit Jahren damit befasst, es zu verwirklichen. Leider ist es logistisch nicht so einfach. Früher war ich manchmal mit dem Bayerischen Rundfunkorchester unterwegs. Da war es leichter, da der Rundfunk die Kosten übernommen hatte. Denn für die Tournee haben wir zwölf Musiker, die zum Kammerorchester gehören, plus meine drei Stammmusiker, mit denen ich regelmäßig zusammenarbeite. Das ist schon ein ziemlicher Aufwand. Aber ich wollte mir das unbedingt gönnen.
Sie sind mit klassischer Musik aufgewachsen.
Wecker: Das stimmt, vor allem mit der Oper. Aber auch mit dem sogenannten Kunstlied. Mein Vater war Tenor und hat sehr viele Schubertlieder gesungen. Ich habe als Knabe ebenfalls Schubert, Schumann, Brahms und Duette aus der italienischen Oper mit meinem Vater gesungen. Davon gibt es auch noch viele Aufnahmen.
Wann war denn der erste Berührungspunkt mit populärer Musik?
Wecker: Das kam, als ich so 16 oder 17 war und zum ersten Mal Janis Joplin gehört habe. Gerade bei ihr hatte ich erstmals das Gefühl – anders als bei den Beatles oder den angesagten englischen Bands dieser Zeit – wow, da gibt es noch was ganz anderes als klassische Musik. Etwas, das direkt in den Unterleib geht (lacht). Diese Musik, die Hosenknöpfe öffnet, hat mich einfach umgehauen. Dem Soul und Blues bin ich seitdem treu geblieben.
Der Klassik aber auch oder?
Wecker: Meine Wurzeln in der klassischen Musik habe ich nie vergessen. Ich habe dann ja auch Klassik studiert.
Wer hat Sie noch musikalisch geprägt?
Wecker: Im Alter von 30 Jahren bin ich Carl Orff begegnet, der viele meiner Lieder in den 1980er Jahren stark beeinflusst hat. Wenn ich heute Lieder aus dieser Zeit spiele, führe ich sie eigentlich genauso auf, wie ich sie beim Komponieren gedacht und arrangiert habe. Übrigens bin ich damals bereits mit einem Kammerorchester auf Tour gewesen. Obwohl mein eher junges Publikum sich mehr zum Punk hingezogen gefühlt hat, habe ich die Sache mit dem Kammerorchester mit Begeisterung durchgezogen. Jetzt wieder in diesen Klängen baden zu können, dieses Vergnügen mache ich in erster Linie mir selbst und wenn sich das Publikum auch daran freut, umso besser.
Werden Sie in absehbarer Zeit wieder einmal vor der Kamera stehen?
Wecker: Ich muss gestehen, dass es mir derzeit viel wichtiger ist, auf die Bühne zu gehen. Es reizt mich nicht so wahnsinnig, für drei oder vier Tage in irgendeinem ‚Polizeiruf‘ mitzuspielen.
Was muss denn ein Filmprojekt haben, dass Sie zusagen?
Wecker: Das letzte wirklich spannende Projekt war der Film „Wunderkinder“. Darin habe ich einen SS-Mann gespielt. Daraufhin habe ich viele böse Briefe bekommen, wie ich es als Antifaschist wagen könnte, einen SS-Mann zu spielen und das Nette war, sie schrieben: „auch noch so gut“ (lacht).Aber ich muss sagen, dieser Film hat etwas in meinem Leben bewirkt.
Ich hatte diese Uniform an und musste nicht spielen, ich war der SS-Mann. Jeden Abend, wenn ich die Uniform wieder ausgezogen hatte, habe ich mich erschrocken vor mir selbst. So eine Rolle, bei der man persönlich durch Erfahrungen wie diese bereichert wird und verborgene Seiten an sich entdeckt, würde ich gerne wieder annehmen.