Tonhalle Düsys spielen ihr 500. Abo-Konzert in der Tonhalle
Düsseldorf · Das kommende Sternzeichen wird zum Jubiläum in der „neuen“, 1978 eröffneten Tonhalle. Für unsere Hommage sprachen wir mit zwei Dramaturgen.
Die Abonnementkonzerte der Tonhalle – der Begriff wirkt ein bisschen dröge, deshalb ist es durchaus verständlich und viel charmanter, sie „Sternzeichen“ zu nennen – gehören fest zu Düsseldorfs Kulturleben. Gibt es auch ein aktives und buntes Konzertleben in unserer Stadt schon viel länger, so können wir aktuell ein durchaus beachtliches Jubiläum feiern, das eng mit dem früheren Planetarium am Ehrenhof verknüpft ist.
Die von Hentrich, Petschnigg und Partner (HPP) im Skelett der Rheinhalle errichtete neue Tonhalle wurde am 6. April 1978 mit einem Konzert unter der Leitung von Bernhard Klee eröffnet. Das Jahr also kann weniger das besondere Jubiläum sein, was wir zum Anlass nehmen möchten, einen kleinen Blick auf die Tradition der Sinfoniekonzerte in der Tonhalle zu werfen. Immer sind es zwölf pro Jahre mit jeweils drei Vorstellungen, also 36 Abo-Konzerte. Und so haben die Mathematiker in der Tonhalle errechnet, dass das kommende Sternzeichen-Abo-Konzert – es wird ohnehin ein besonderes mit Ádám Fischer und einer konzertanten Aufführung von Bartóks Herzog Blaubarts Burg –, das 500. eigene Sinfonie-Programm in der neuen Tonhalle sein wird. Das „Sternzeichen“ am Montag, 18. November, wird dann logischerweise das 1500. Sinfoniekonzert in der Tonhalle in seiner jetzigen Form sein. Hierbei sind Sonderkonzerte und das Neujahrskonzert nicht einberechnet.
So oder so, es ist ein schöner Moment, um ein bisschen innezuhalten und zurückzublicken. Jeder Düsseldorfer – es sei den er ist gänzlich immun gegen Kunstmusik – wird seine ganz persönlichen Erlebnisse mit der Tonhalle verbinden. Oft vielleicht auch nicht mal mit den Abo-Konzerten, doch bilden diese eine bisweilen mit wunderschönen Perlen versehene Kette an verlässlicher Musikkultur, die mal überraschte, mal Gewohntes in neues Licht tauchte oder auch nur einfach gutes Repertoire in schöner Form präsentierte. Die Düsseldorfer Symphoniker unter ihren Chefdirigenten Bernhard Klee, David Shallon, Salvador MasConde, John Fiore, Andrej Boreyko und dem aktuellen Duo Fischer/ Alexandre Bloch haben sich mit manchem Konzert in die Herzen der Düsseldorfer gespielt und so wie sich die Reihen der Orchestermusiker mit der Zeit wandelten, wandelte sich auch das Publikum; neue Gesichter kamen in die Reihen, neue Konzepte hübschten das Drumherum auf.
Zwei Menschen, die die Konzerte in der neuen Tonhalle sozusagen aus dem innersten Maschinenraum des Konzertsaals verfolgten und zeitgleich qua Aufgabe auch immer ihre Fühler Richtung dem, was beim Publikum in der Luft lag, ausstreckten, sind die Dramaturgen Elisabeth von Leliwa und Uwe Sommer-Sorgente. Erstere war seit 1987 Dramaturgin der Tonhalle, zweiterer ist es aktuell und seit 2012.
Fragt man von Leliwa nach ihren Erinnerungen an die Anfänge, so zeichnet sie ein vielfarbiges Bild. „Ich war 1978 noch nicht an der Tonhalle, aber ich habe Bernhard Klee noch erlebt, habe seine Programme ausgiebig studiert. Bei ihm war großartig, dass er so eine eigene Handschrift hatte: Erste und Zweite Wiener Schule angekoppelt an eine Linie mit französischer Musik“, schwärmt sie von dieser Ära, in der übrigens – es scheint hier eine magische Verbindung zu geben – auch schon Gustav Mahlers Musik so wie heute auch eine besondere Rolle spielte. „Klee hatte 1987 mit der Auferstehungssinfonie – Mahlers „Zweiter“ – aufgehört und sein Nachfolger David Shallon schloss mit Mahlers 3. Sinfonie an. Nahtlos anzuschließen war ein schönes Zeichen“, sagt sie.
Dass viel solche Musik gespielt wurde, mag auch vielleicht daran liegen, dass sie dem Orchester sehr gut lag und liegt. „Was die Düsseldorfer Symphoniker gefühlt immer aus dem Ärmel geschüttelt gut konnten, war ab Mahler und Strauss beginnend die Klassische Moderne“, sagt von Leliwa und bekräftigt: „Das waren auch immer die Höhepunkte in den Konzerten.“ Im Rückblick überrascht indes, dass durchweg wohl recht wenig Mozart-Sinfonien gespielt worden seien, so die Erkenntnis der Dramaturgin.
Weniger erfreulich ist auch das lange leidige Kapitel Akustik, denn der damals neue Konzertsaal hatte mit großen klanglichen Problemen zu kämpfen. Es gibt viele Geschichten, um große Künstler die nicht auftreten wollten, um Klopfgeister und unlösbare klangästhetische Schwierigkeiten. „Die mangelhafte Akustik der Tonhalle war ein großes Thema – was uns da aber gerettet hat, war der Brandschutz“, berichtet von Leliwa. Seit der umfassenden Sanierung 2005 – seitdem erstrahlt die Kuppel innen im blauen Ton mit Sternenhimmel – gehören Sorgen um die Akustik nämlich eher der Vergangenheit an.
Aber auch die Art und Weise wie sich die Tonhalle selbst begreift, hat sich verändert, sie ist mit der Zeit gegangen. „Die Tonhalle hat sich von einem elitären Kunsttempel, der für sich steht und für sich sprechen soll, hin zu einer in die Stadtgesellschaft hineinstrahlenden Institution entwickelt“, sagt Uwe Sommer-Sorgente. Er könne zwar nur über die letzten sieben Jahre sprechen, doch es habe sich „gerade die Vermittlung, das Bestreben, das Konzert in einen Rahmen eines Erlebnisses einzupacken, wunderbar etabliert und ist nicht mehr aus dem Selbstverständnis des Hauses wegzudenken.“ „Es geht sehr um die Musik, aber es geht nicht nur um die Musik. Und dies aus guten Gründen, denn das Rundherum ist viel wichtiger geworden“, sagt Sommer-Sorgente, der unter der aktuellen Intendanz von Michael Becker der Dramaturg am Haus ist.
Vielfalt und Abwechslung seien sehr hohe Prämissen in der Programmgestaltung der Tonhalle, sagt der Dramaturg. Dass dies gut ankommt, lässt sich an den guten Besucherzahlen ablesen, wohl auch deshalb kann er betonen: „Wir bleiben uns auch weiterhin treu; wir wollen emotionale Erlebnisräume schaffen, die idealerweise auch noch zum Nachdenken anregen.“
Fragt man die beiden nach ihren persönlichen Höhepunkten aus der lange Liste der Sinfoniekonzerte, so wissen beide sogleich mehrere Highlights zu nennen. „Was mich sehr in meinen ersten Saisons geprägt hat, war, dass wir in jeder Saison einen noch lebenden Komponisten eingeladen haben, der dann seine eigenen Werke dirigierte. Krzysztof Penderecki, Witold Lutosławski oder auch Hans Werner Henze hier zu haben – es waren damals bis auf Gubaidulina nur Männer, aber so waren die Zeiten –, das waren große Ereignisse“, sagt von Leliwa. Aber auch Aufführungen großer vokaler Schumann-Werke, wie etwa die inszenierte Aufführung von Manfred seien für sie unvergessliche Höhepunkte.
Bei Sommer-Sorgente waren unter anderem besondere Konzerterlebnisse die Mass von Bernstein. „Sie war für mich ein Highlight; wahrscheinlich auch, weil wir dort auch viel in einem Team gearbeitet hatten, mit Gästen, wie einer Regisseurin, Technik und szenischen Aspekten, um zusammen etwas Großes und Neues zu schmieden. Es war um das Publikum herum inszeniert, und es hatte einen besonderen Flow“, sagt er und ergänzt mit einem gewissen Strahlen im Auge: „Als extremen Gegenpol vielleicht würde ich noch Dvořáks Bläserserenade erwähnen, bei dem mit wenigen Musikern und einem scheinbar unscheinbaren Stück gelungen ist, wirklich eine Atmosphäre zu schaffen, sodass es im Saal ganz still ist und alle hingerissen sind von dieser schönen Musik.“ Zudem betont er, wie reizvoll es sei, eine Doppelspitze mit Ádám Fischer und Alexandre Bloch zu haben, „weil es zwei sehr verschiedene Künstlerpersönlichkeiten sind. Das Publikum hatte dadurch die Möglichkeit, eine Vielfalt erleben zu können. Auf der einen Seite der abenteuerlustige Bloch, der auch mal verrückte Programme gemacht hat und auf der anderen Seite Fischer, der die Bescheidenheit in Person war und die Musik hat sprechen lassen“, sagt er und genau zwischen diesen und vielen weiteren Polen changiert die schöne Vielfalt unserer Abo-Konzerte in Düsseldorf.