„Ein Graffiti-Sprayer ist ein stiller Typ, der malen kann“
Joe und Marc Hennig sind seit 20 Jahren in der Graffiti-Szene. Heute gibt es ein neues Werk.
Düsseldorf. Sascha Herlitz ist einer, der anpackt. Ihm gehört ein Haus, an dem es immer genug zu tun gibt und das in einer Gegend liegt, die als gar nicht fein gilt. Gerade verbessert der 43-Jährige die Wärmedämmung, bringt Platten an, isoliert Schlitze. Sascha Herlitz ist aber auch einer, der es schön mag. Der nicht verstehen kann, warum „die beiden Jungs so kämpfen müssen“, um mit ihren Wandgemälden triste Fassaden und schmuddelige Unterführungen aufzuwerten. „Das finde ich schlimm.“
„Die beiden Jungs“, das sind Marc und Joe Hennig, 39 und 36 Jahre alt, die seit ein paar Jahren als Majo-Brothers in der Streetart-Szene firmieren. Seit 20 Jahren sprühen sie Graffiti: früher als Jugendliche oft illegal, heute als Künstler zumeist seriös in Düsseldorf, Deutschland und der ganzen Welt. Von ihnen hält Sascha Herlitz eine ganze Menge. Deswegen hat er die beiden schon vor vier, fünf Jahren angesprochen und gefragt, ob sie die Fassade seines Hauses an der Eintrachtstraße in Oberbilk nicht mit einem Graffito verschönern wollen? Sie wollten.
Mark Hennig, Majo-Brothers, über die Entscheidung, mit Graffiti Geld zu verdienen
Im Februar dieses Jahres kam endlich der Auftrag, und inzwischen hockt der gelbe Affe der Majo-Brothers mit seinen kleinen Gefährten auf Herlitz’ 200 Quadratmeter großen Hauswand an der Ecke zur Kölner Straße — ein echter Hingucker. Morgen wird er eingeweiht.
„Wir haben uns irgendwann gedacht, bevor wir bei einem Pizza-Taxi landen, tun wir doch lieber etwas, das uns Spaß macht“, sagt Joe Hennig rückblickend. Bis zu diesem Zeitpunkt war er als Graphiker, sein Bruder Marc als Schreiner tätig. Jobs, mit denen man in ihren Augen Geld verdienen, sich jedoch nicht sein Glück abholen kann. Heute leben sie von Ausstellungen von großen Hauswandbemalungen und von ihrer Arbeit mit Schülern, denen sie in Workshops die Kunst des Graffitisprühens beibringen.
Reich werden sie dabei nicht. „Klar, die Kosten müssen wir klein halten“, sagt Marc Hennig. „Wenn wir wie 2010/2011 einen schlechten Winter haben, dann wird es eng.“ Ungünstige Witterungsbedingungen können die Künstler vielleicht in die Knie zwingen, Auftraggeber hingegen nicht, betonen beide. „Ich möchte für meinen Stil gebucht werden“, sagt Marc Hennig, „und male, was ich malen will.“
Das akzeptieren die Auftraggeber fast immer. Ein, zwei Absagen mussten sie hinnehmen, mehr nicht, sagt Joe Hennig. Dennoch sei so eine Zusammenarbeit wie die mit Herlitz ein Glück. „Wir haben ihm unseren Entwurf vorgelegt, und er war sofort begeistert.“ So begeistert, dass man sich auch finanziell einig wurde. Eine konkrete Summe wollen aber weder Hausbesitzer noch Künstler nennen.
Die Majo-Brothers haben sich längst einen Ruf erarbeitet, und der gelbe Affe wacht wie ein Maskottchen über sie. Sie malen ihn seit Mitte der 90er Jahre. Immer wieder taucht er in der Stadt auf: auf der Kiefernstraße, in der Unterführung an der Ellerstraße.
Eine Botschaft verbinden sie mit ihm nicht. Manchmal werde er als der rebellische Gegenpart zum normalen, dem braunschwarzen Affen verstanden. „Aber festlegen wollen wir uns nicht“, sagt Marc Hennig.
Er hat sein erstes Graffito mit zwölf, dreizehn Jahren an die Kinderzimmerwand gesprüht. „Wie blöd das war“, sei ihm in diesem Moment nicht klar gewesen. Erst später habe er begriffen, dass ein Wandbild einen Entwurf brauche, um nicht Schmiererei zu sein.
So viel Ernsthaftigkeit stecke leider nicht in den Seelen der neuen Sprayer-Generation, sagen die Majo-Brothers. „Die meisten greifen zur Dose, und sprühen drauf los“, sagt Marc Hennig. Früher sei ein Graffiti-Sprayer „der stille Typ“ gewesen, „der malen kann, aber die Fresse nicht aufkriegt“. Heute hat er „dicke Oberarme, schluckt Pillen und hat keinen Respekt vor den Werken der anderen“.
Über den Ehrenkodex der Graffiti-Szene erzählen die Majo-Brothers auch in ihren Workshops und wenn sie mit ihrem „Verbunt-Mobil“ unterwegs sind. Dahinter steckt der von den Hennigs neue gegründete gemeinnützige Verein, der mit Film- und Graffito-Projekten Jugendarbeit vor Ort leistet, zum Beispiel am Lessingplatz oder im Ulenberg-Park. Joe Hennig: „Ist doch klar warum, wir das tun: So etwas hätten wir uns früher auch gewünscht.“