Ein italienischer Ferien-Albtraum
Goldoni als ausgewalzte Breitwandkomödie im Central.
Mithalten können, das ist Vittorias größte Sorge. Egal, was der Leopardenfummel oder der rosa Albtraum kostet, das neueste Kleid ist Pflicht. Dafür bettelt die flattrige Schickse (Janina Sachau) auch einen Diener an, wenn’s sein muss. Und es muss sein, denn Carlo Goldonis Typenkomödie „Trilogie der schönen Ferienzeit“ von 1761 zeigt auch, wie Sozialprestige und Konsum Hand in Hand gehen und Haushalte ruinieren. Wolfgang Engels Inszenierung im Central entwickelt ein Breitwandopus, in dem das Bürgertum nur noch mit der Optik seiner Werte hantiert. Das Stück feierte am Mittwochabend Premiere.
Die Figuren in ihrem Rüschen und Strass-Outfit (Kostüme: Zwinki Jeannées) inszenieren darin ein Spiel der leeren Gesten. Leonardo (Michele Cuciuffo) ist ein aufgeschäumter Italobeau, der Giacinta liebt und heiraten muss, um seinen finanziellen Offenbarungseid abzuwenden. Katrin Röver dagegen als Angebetete gibt die weibliche Taktikerin, die sich scheinbar in alles fügt und doch die Fäden zieht.
Das könnte entlarvenden Biss haben, doch die Regie fächert die Konflikte nur behäbig auf, lässt die Dialoge plätschern, so dass sich die vier Stunden Vorstellungsdauer im überheizten Central/ zusätzlich dehnen.
Wenn die Gesellschaft dann endlich in ihrer Discount-Sommerfrische zwischen Holzpaneele, Topfpflanze und Sonnenschirm ankommt, gewinnt die Inszenierung ein wenig an Schärfe. Nicht nur weil Marianne Hoikas als aufgetakelte Sabina trostlos um Sex mit dem klarsichtigen Schmarotzer Ferdinando (Stefan Schiessleder) buhlt. Oder Susanne Trempers Tante Costanza bissig den tumben jointrauchenden Freund (Daniel Christensen) ihrer Nichte Rosina (Karolina Horster) heruntermacht.
Die Komplimente und Anzüglichkeiten blitzen, man quält sich. Ein gemeinsames Kartenspiel gerät zum Schlachtfest der Anspielungen. Wie schmerzhaft die bürgerliche Maske sitzt, müssen vor allem Giacinta und Guglielmo erfahren. Kaum ist ihre Liebe beim Flirt auf der Terrasse erwacht, rollt die Welle der Eifersucht.
Giacintas löst den Konflikt zwischen wahrer Empfindung und bürgerlicher Ehre, also ihrem Eheversprechen, durch Verzicht. Und sie treibt Guglielmo brutal in eine Ehe mit Vittoria.
Nach der Rückkehr aus den Ferien sitzen dann alle frontal aufgereiht in den Fauteuils und exerzieren ihre bürgerlichen Konventionsspiele. Das aber haben viele Zuschauer gar nicht mehr mitbekommen, weil sie schon vorher gelangweilt das Theater in Scharen verließen. Schütterer Beifall.