FFT: Zwischen Wut und Ergebenheit
„That night follows day“ thematisiert eindrücklich, wie Erziehung Menschen formt.
Düsseldorf. 16 Kinder stehen aufgereiht vor einem Turnhallen-Bühnenbild, ihr Blick geht gerade ins Publikum. "Jullie geven ons eten", beginnt ein kleines Mädchen auf Flämisch - "Ihr gebt uns essen". "Ihr zieht uns an. Ihr wascht uns", geht es weiter, die anderen Kinder fallen ein, die Stimmen werden zu einem Chor, der den Erwachsenen unablässig zuruft.
Ihre Sätze, die deutsch untertitelt werden, beginnen wie ein Mantra mit dem immer gleichen "Jullie - Ihr". Die Kinder im Alter zwischen acht und vierzehn Jahren zählen auf, was Erwachsene ihnen alles versprechen, erklären und als Wahrheit verkaufen. Gutgemeintes wie Gemeines, Vernünftiges wie unsagbar Dummes.
Dass man Rücksicht nehmen soll, dass zwei mal drei sechs ergibt, wer Hitler und wer Gandhi waren. Und dass Schwarze stinken und Ausländer faul seien. Kinder sollen reden, wenn sie gefragt werden, und still sein, wenn in den Nachrichten "etwas Wichtiges" kommt.
Vom Victoria Theater, Gent, erhielt Regisseur Tim Etchells 2006 den Auftrag, eine Produktion mit Kindern für Erwachsene zu machen. Der Leiter der britischen Performance-Gruppe Forced Entertainment, der zuvor noch nie mit Kindern gearbeitet hatte, nahm die Herausforderung an und inszenierte mit "That night follows day" eine einzigartige Produktion. Auf atemberaubende Weise geht er der Frage nach, wie Erziehung den Menschen formt.
Eindringlich zeigt er, wie Eltern ihre Kinder in unzähligen kleinen Dingen erschrecken und beruhigen, behüten und aussetzen. In einer Sequenz wiederholen die Kinder, wie oft sie allein das Wort "Nein" zu hören bekommen. "Ihr sagt: Nein, nicht jetzt, später", wiederholen sie wie einen Kanon, bevor ein Junge frustriert einen Stuhl auf die Bühne schleudert.
Das Spiel der Kinder ist unglaublich dicht und diszipliniert. Ordentlich aufgestellt wie für ein Foto erzeugen sie mit ihren klaren, rhythmischen Sätzen eine Atmosphäre, die zwischen Wut und Ergebenheit ihr totales Ausgeliefertsein an die Erwachsenen erschreckend deutlich macht.
Die Reaktionen des Publikums sind unterschiedlich. Es betrifft alle. Nicht umsonst ist diese Produktion Teil der Reihe "Geschichten für ein neues Jahrhundert", denn sie stellt die Frage, wie man Kinder auf die Welt von morgen vorbereitet und welche Werte und Erfahrungen weiter gegeben werden sollen.