Interview Warum Funny van Dannen öfter einen Hang herunterrollen will

Düsseldorf · Der Sänger spricht über seine Musik, diese Welt und was in dieser gegen Verzweiflung hilft. Am Samstag tritt er im Düsseldorfer Zakk auf.

Funny van Dannen tritt am Samstag im Zakk auf.

Foto: ja/JARO SUFFNER

Funny van Dannen (60) gehört seit den 90er Jahren zur Gilde der alternativen Singer-Songwriter im Lande und ist ob seiner sarkastischen, skurillen, kuriosen Songtexte für viele Menschen Kult. Nebenbei schreibt er Bücher, malt und war an der Komposition der Songs „Schön sein“, „Walkampf“ und „Bayern“ seiner Freunden von den Toten Hosen beteiligt. Nun hat er ein neues Album am Start, kommt nach Düsseldorf – und erzählt im Interview über den Herbst, Allergien, Gewaltfantasien und Yoga.

Herr van Dannen, ich grüße Sie. Haben Sie einen guten Morgen gehabt?

Funny van Dannen: Ja. Ich war schon eine Runde laufen und habe gemerkt, dass man mittlerweile zwei Shirts übereinander ziehen muss. Es ist Herbst. Immerhin: Die Farben der Blätter an den Bäumen – das ist wunderschön.

Hört sich so an, als sei der Herbst Ihre Lieblingsjahreszeit?

van Dannen: Nein, nein. Eigentlich bin ich ja im Frühling geboren und daher ein Frühlingskind. Und ich finde den Mai ganz toll. Aber: Der Mai findet mich leider nicht toll.

Wie kann das denn sein?

van Dannen: Ich bin Allergiker und war zumindest früher im Mai stets K.o. wegen der Blütenpollen. Das war jedes Mal eine Granate für mich mit den ganzen Frühblühern. Glücklicherweise ist das in den vergangenen Jahren ein wenig besser geworden. Ich kann mich jetzt auch mal im Mai hinauswagen. Früher konnte ich zu dieser Zeit nie Konzerte geben. Ich musste immer zusehen, dass ich mit meiner Tour vor Ende April durch war.

„Alles gut, Motherfucker“ ist bereits Ihr 15. Album. Ist das schon Routine – oder jedes Mal ein Grund zur Freude?

van Dannen: Das ist schon immer noch ein Grund zur Freude. Auch weil es am Anfang meiner Karriere ja nicht absehbar war, dass es so lange gehen würde. Nachdem ich meine erste CD draußen hatte, dachte ich nur: „Ach, schön, dass da endlich mal etwas dokumentiert wurde und dass meine Kinder später auch mal sehen werden, dass Papa nicht nur ein paar schöne Bilder gemalt hat.“

Warum haben Sie sich für diesen, sagen wir mal, recht seltsamen Titel entschieden?

van Dannen: Mir gefiel der Begriff. Ich habe natürlich meinen Sohn vorher gefragt, ob man den verwenden könne oder ob er schon zu ausgelutscht sei heutzutage. Er meinte aber, das gehe in Ordnung.

Gleich im ersten Song schlagen Sie vor, angesichts des Elends auf dieser Welt einfach mal häufiger den Hang runterzurollen. Das mache glücklich.

van Dannen: Ja, manchmal sind die Vorgänge in dieser Welt tatsächlich so haarsträubend, dass man nur noch zu diesem Schluss kommen kann. Übrigens, um nochmal auf den Herbst zurück zu kommen: Zur Zeit könnte man sich alternativ natürlich auch in diese Laubhaufen reinschmeißen, die überall rumliegen – wenn da die Hundehaufen nicht drunter wären.

Das ist richtig. Aber sagen Sie uns: Wann verspürten Sie denn zuletzt den Drang, einen Hang runterzurollen?

van Dannen: Zum Beispiel als kürzlich in Brasilien dieser Typ, der einer Parlamentarierin sagte, sie sei es noch nicht einmal wert, dass er sie vergewaltige, von Millionen Menschen zum Präsident gewählt wurde.

Sie meinen Jair Bolsonaro, der als Rassist und Frauenhasser gilt.

van Dannen: Genau. Wie dreckig muss es den Leuten dort gehen oder wie müssen die drauf sein, um so jemanden zu wählen? Solch ein Spruch. . . Das würde sich ja noch nicht einmal Trump trauen. Oder nehmen Sie Deutschland: Es ist skandalös und unerträglich, dass in einem Land wie unserem, mit dieser Geschichte, wieder rechtes Gedankengut vorkommt. Da bleibt manchmal nur der Hang als Ausweg. Aber: Man muss angesichts dieser Tendenzen selbstverständlich auch volle Kanne dagegenknallen.

Ihr Liedermacherkollege Konstantin Wecker ist angesichts dieses Themas vor allem in den sozialen Netzwerken extrem umtriebig und kommentiert die politische Entwicklung stetig. Von Ihnen liest man gar nichts im Netz.

van Dannen: Wecker wird sich auch bis zu seinem Tode wohl nicht mehr ändern. Er war, was das angeht, immer ein Mitläufer. Aber mich interessiert diese Internetsache auch nicht. Ich muss nicht jeden Shitstorm mitmachen und Kühe durchs Dorf treiben.

Sie mögen Wecker offenbar nicht. Welchen Liedermacherkollegen mögen Sie denn?

van Dannen: Ach, ich war ja nie so der Liedermacher-Fan. Ich habe mich eigentlich immer mehr an den amerikanischen und englischen Künstlern orientiert. Bob Dylan. Leonard Cohen. Don McLean. Das hat alles mehr geswingt. Da war mehr Musik drin. Das war bei den Deutschen – auch wenn beispielsweise Wader oder Degenhardt Klasse-Leute sind – meist so eine verkopfte Geschichte. Es war nie meine Herzensmusik. Das war ohnehin eher der Glamrock. Sweet, Slade, T-Rex. Sowas. Ich habe ja auch früher mal in einer solchen Band gespielt.

Was ist passiert?

van Dannen: Es ist auseinandergeflogen. Und ich war dann der Einzige, der übrig blieb.

In einem Ihrer neuen Songs singen Sie „Forever Yin, forever Yang.“ Darin geht es um Yoga. Auf Yoga schwören viele Leute. Ich auch. Sie machen sich aber eher lustig darüber.

van Dannen: Ach, ich habe das auch schonmal ausprobiert. Mit der Frau eines Galeristen, die das ziemlich exzessiv macht. Und es ist ja auch okay. Es gibt nunmal so eine Yoga-Seligkeit. Und die Leute sollen doch das machen, was ihnen gut tut – solange sie dabei niemand anderem schaden. Mir allerdings gibt Yoga eher weniger.

Bei mir würde es aufhören, sobald Räucherstäbchen angezündet würden.

van Dannen: Na, warten Sie mal ab. Das kommt bestimmt noch (lacht). Räucherstäbchen nutze ich übrigens auch. Aber in einem anderem Zusammenhang.

Nämlich?

van Dannen: Wenn ich mit meinen Kindern spiele. Wie neulich. Da haben wir mal wieder bei „Siedler“ zusammengesessen. Ich verliere dabei immer. Wirklich immer. Und jedes Mal, wenn es mir dann doch zu bunt wird, zünde ich Räucherstäbchen an und piesake den Nachwuchs mit Opium-Duft. Aber um nochmal auf den Yoga-Song zurückzukommen: Darin geht es letztlich nur vordergründig um Yoga. Es geht eher darum, wie schlecht es ist, wenn die Menschen sich nur noch um ihre eigenen Befindlichkeiten kümmern. Wenn sich alles nur noch um Achtsamkeit dreht. Dann nämlich kann die ganze Sache schnell auch mal ins Gegenteil umschlagen.

Was halten Sie eigentlich von der Gilde der jungen deutschen Popstars um Mark Foster, Max Giesinger und Co.?

van Dannen: Ach, das geht mir alles am Po vorbei (lacht). Die Sachen, die ich da bislang gehört habe, die sind nicht so mein Fall. Aber ich bin wahrscheinlich einfach auch altersmäßig aus der Nummer raus.