Galerierundgang: Schwarze Venus im Paradies
Trotz Karneval: Die Stadt ist voller moderner Kunst. Die WZ gibt einige Empfehlungen.
Düsseldorf. Galerien laden in ein Paradies aus dem Computer oder verwandeln sich in eine Licht- und Farb-Bühne. Wir geben Tipps, wie man die Avantgarde entdecken kann: Ruud van Empel erzeugt mit seinen Fotos heftige Reaktionen, denn man nimmt sie allzu leicht für bare Münze. Er speichert Tausende junger Model-Bilder im Computer, montiert ihnen andere Augen, Lippen, Haare, ja sogar neue Lichtreflexe auf den Pupillen.
Er portraitiert nicht, sondern verfremdet. Er sagt: "Ich benutze echte Teile für ein unechtes Bild." Kleider, Handschuhe, Accessoires, aber auch Blätter und Insekten werden freigestellt und miteinander kombiniert. Seit 2005 fotografiert er schwarze Kinder, steckt sie ins europäische Sonntagskleid, umgibt sie mit einem paradiesischen Blätterwald und stellt fest: "Als ich weiße Mädchen abgelichtet habe, nannte man sie arisch und warf mir zuweilen Pädophilie vor. Bei dunkelhäutigen Models macht man mir keine Vorwürfe. Schwarze Personen haben keine Tradition in der visuellen und populären Kultur."
Sie schauen den Betrachter mit Augen an, die größer sind als ihre eigenen. Ihre Taschen, Schuhe und sonstigen Kleidungsstücke sind aus anderen Bildern kombiniert. Zuweilen tragen sie Ketten um den Hals, dadurch wirken sie "zivilisiert", so van Empel.
Michael Kienzer liebt Alu-Draht und Kautschuk-Bänder, Gussplatten und Holzkeile. Seine Skulpturen sind lediglich verknotet und verflochten. Bänder durchziehen das Draht-Gewirr und halten die Teile wie zufällig zusammen. Eine Kunst der losen Verbindungen aus Glas- und Pressspan-Platten, Bodenplatten und hölzernen Streben ist dies.
Dosen halten die Aluplatten in der schiefen Ebene und Radiergummis sorgen für die Arretierung. Der Betrachter begreift sofort, wie diese Kunst funktioniert. Ein lustiges Objekt etwa ist "Doppler" (der Begriff kommt von der Zwei-Liter-Weinflasche für Federweiße). Kienzer hat die Flaschenhälse abgeschnitten, die Gefäße ineinander geschoben und mit Silikon verfugt.
Jojo Tillmann, international gefragter Show-Designer für Rock-Konzerte, Sport-Events oder Stunk-Sitzungen, vertauscht erstmals die Bühne mit einer Galerie. Er präsentiert bei Voss faszinierende, interaktive Lichtkästen. Er klebt vor und hinter das Acrylglas seiner Bildschirme transparente Folien mit der Geometrie früher Computerspiele.
Die sich überlagernden architektonischen Raster, die sich nach hinten verjüngen, erzeugen unendliche Räume. Tillmann setzt zugleich die neueste Technik der Leuchtdioden ein und steuert die Lichtpunkte über eine raffinierte Software, so dass sich die Lichtfarbe und die Leuchtkraft ändern.
Das Licht reagiert auf die Bewegungen der Menschen vor dem Bildschirm. Eine Videokamera zeichnet dies auf und gibt ihrerseits Impulse an die computergesteuerten Lämpchen weiter. Der Betrachter wird zum Mitspieler. Wechselt er seinen Standort, verändert er das Bild. Ein raffiniertes Spiel aus klar konstruierten, aber nie fass- und messbaren Räumen und ständig sich ändernden Farben und Rhythmen ergibt sich.
Judith Braun gehörte einst zu den Guerilla Girls, der wohl einflussreichsten feministischen Künstlerinnengruppe in Amerika. Nun überrascht sie mit Graphitzeichnungen, die nicht figurativ und nicht feministisch sind, sondern fast abstrakt. Auf der einen Hälfte des Papiers zeichnet sie Stuhl, Tisch, Kugel oder Sonne in freier Manier, die andere Hälfte wird mühsam gespiegelt. Die Stifte sind mal härter oder weicher, die Ergebnisse faszinierend schön.
Bremerhaven ist ein Auswanderungs-Hafen für Schiffe nach Nord- und Südamerika. Zu allen Zeiten hoffen die Passagiere auf eine bessere Zukunft. Der Grafik-Fachmann Alexander Roob hat Künstler für eine Edition gewonnen, die sich dem Thema Bremerhaven widmet.
Roob ist selbst mit der Zeichnung einer auf dem Boden liegenden Person vertreten, die von einer Freiheitsgöttin mit Fackel beleuchtet wird. Andreas Siekmann nimmt die Touristen auf die Schippe. Susan Turcots großes Segelboot spült Immigranten ans Land. Zehn Künstler machen mit, entstanden ist eine hervorragende Serie zum kleinen Preis (1800Euro).
Miriam Vlaming malt wie ein Sisyphus. Ihr geht es nicht nur um das Auftragen von Farbe, sondern auch um das Wegnehmen. Sie kaufte sich eine fünf Meter breite Dusche, um die gerade erst aufgetragene Eitempera-Farben von ihrem Großpanorama halbwegs wieder abzuwaschen. Übermalen und abreiben, durch Terpentin verdünnen und zerstören, Rinnsale bilden, verschleiern, auslöschen und neu beginnen, so definiert sie ihren Malprozess.
Das Entfernen der Farbe ist nie endgültig, die unteren Schichten lassen sich ahnen. Erst war ein Heuhaufen da, dann eine umgedrehte Landschaft: Nach dem Duschen wurde es ein Wald. Nun ist es ein durchlässiger Slip. Zuletzt setzt sie mit trockener Farbe Lichter, womit das Schichten, Überlagern und Reduzieren ein Ende findet.