Deutsch-polnisches Kulturprojekt Auf Spurensuche in den verlorenen Dörfern Masurens

Düsseldorf · Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus: Studenten aus Düsseldorf und aus Allenstein forschen zusammen.

Düsseldorfer Studenten im „verlorenen Dorf“ Klein-Paasken in den Masuren: Bartlomiej Ondera, Fabio Huuk und Dominik Pietruschka (v.l.) haben ein Grabkreuz gefunden.

Foto: Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus Düsseldorf

Die Masuren im Norden Polens sind schon länger ein beliebtes Reiseziel für Erholungssuchende. Unzählige Seen, tiefe Wälder, weite Felder, Straßen aus Sand, Kies oder Schotter – im ehemaligen Ostpreußen spielt die Natur noch eine wichtige Rolle, dort geht es ruhiger zu, es ist ländlicher, archaischer. Doch die Masuren sind auch ein Schauplatz europäischer Geschichte: brutal, tragisch, bewegend. Anhand dieser Region wurde deutlich, wie kompliziert sich das Zusammenleben zwischen Polen und Deutschen gestaltete. Polen – 1918 wieder eine eigene Republik – wollte die Masuren für sich gewinnen. Die Nationalsozialisten – die Wolfsschanze war eines der sogenannten Führer-Hauptquartiere nahe Kętrzyn (Rastenburg) – wollten den deutschen Grenzraum absichern und zwangen die Masuren, sich zum Deutschtum zu bekennen. Am Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die Dörfer in dem Landstrich zerstört und geplündert. Die Bewohner flohen, wurden vertrieben oder siedelten in den Westen Deutschlands über. Von den Dörfern zeugen heute nur noch Friedhöfe, die allerdings versteckt und überwuchert sind.

Diese Friedhöfe aufzuspüren, zu kartografieren, die Grabstätten freizulegen und die Geschichte der Dörfer zu erforschen und zu erzählen – das beabsichtigt Sabine Grabowski von der Düsseldorfer Gerhart-Hauptmann-Haus-Stiftung mit dem interkulturellen Projekt „Verlorene Dörfer in Masuren“. Grabowski leitet es seit 2007, initiiert hatte es der polnische Geograf Krzysztof A. Worobiec im Jahr 2009. Er wandte sich mit dem Projekt an Grabowski, die selbst Wurzeln in der Johannisburger Heide hat – heute das größte Waldgebiet Polens.   

Rund zehn Geschichtsstudenten der Heine-Uni arbeiten mit Landschaftsarchitektur-Studenten der Uni Olsztyn (Allenstein) unter Anleitung von Wissenschaftlern zusammen. Die Aufgaben sind klar verteilt: Während die Landschaftsarchitektur-Studenten die Friedhöfe vermessen, kartographieren und dokumentieren, forschen die angehenden Historiker in Archiven, etwa im Bayreuther Lastenausgleichsarchiv, wo Berichte der Vertriebenen über ihre Flucht und zurückgelassenen Gegenstände lagern.

Die Forschungsergebnisse  arbeitet die Projekt-Gruppe für den regionalen Tourismus auf, ein Radwegenetz mit Informationstafeln veranschaulicht die Geschichte der verlorenen Dörfer.

Am 29. Mai kommen die polnischen Studenten in die NRW-Landeshauptstadt, um das Projekt fortzusetzen, sie erstellen eine zweisprachige Wanderausstellung zu den verlorenen masurischen Dörfern. Die Gestaltung werden Schüler der Gestaltungstechnik an der Lore-Lorentz-Schule Düsseldorf übernehmen. Die Ausstellung wird voraussichtlich im Herbst im Gerhart-Hauptmann-Haus eröffnen.

Im Februar dieses Jahres hat die nordrhein-westfälische Landesregierung das Jugendprojekt mit dem Richeza-Preis ausgezeichnet. Er wurde 2009 vom damaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers ins Leben gerufen und würdigt deutsch-polnische Kooperationen, die sich für den zivilgesellschaftlichen Austausch engagieren. Der Preis trägt den Namen der polnischen Königin Richeza, die aus rheinischem Adelsgeschlecht stammte und im 11. Jahrhundert an Rhein und Ruhr als wohltätige Stifterin wirkte.

Gerade angesichts des geplanten Schulterschlusses zwischen den rechtspopulistischen Parteien im EU-Parlament – neben dem Rassemblement National von Marine Le Pen, der italienischen Lega Nord oder der österreichischen FPÖ auch die AfD und Pis-Partei unter Jaroslaw Kaczynski – kann es nicht hoch genug geschätzt werden, dass sich junge Menschen aus Deutschland und Polen verständigen und zusammenarbeiten.