"Gott des Gemetzels": Schwarze Flecken auf der Seele
„Der Gott des Gemetzels“ ist im Theater an der Kö zu erleben – als bittersüße Gesellschaftssatire.
Düsseldorf. Die Bühne ist gar nicht so eintönig, wie es den Anschein hat: Wo es viel Licht gibt, ist auch viel Schatten. Und wo Menschen in reinster (Un-)Zufriedenheit ganz in Weiß wohnen, sind sie trotzdem zu erkennen - die schwarzen Flecken, die sich auf den Seelen abzeichnen und sich auf keinem noch so edlen Sofa, auch nicht zwischen sorgsam drapierten Tulpen und schon gar nicht hinter aufgesetzter Freundlichkeit verbergen lassen.
Der weiße Rahmen, mit dem das Theater an der Kö Farbe bekennt, strahlt also in alle Richtungen: Die blütenreine Wohnung von Véronique (Antje Schmidt) und Michel (Ronald S. Blezinger) wirkt steril und langweilig, aber auch elegant und unbefleckt.
Die Farbe der Erhabenheit, Unschuld und Göttlichkeit hat Susanne Cholet (Bühne und Kostüme) aus gutem Grund gewählt: "Der Gott des Gemetzels" führt dahin, wo es weh tut - hinter die Fassade gutbürgerlicher Aufgeklärtheit.
Wo sich vier Erwachsene gegenseitig zerfleischen, gibt’s zwar keinen lachenden Sieger, aber ein höchst amüsiertes Publikum: Bei der Premiere wurde viel geschmunzelt, viel gelacht und viel geklatscht.
Denn Humor ist keine Frage der Geschlechter: Yasmina Rezas bissig-süße Ironie trifft beide Seiten gleichermaßen. Die preisgekrönte Autorin lässt Frauen zu Furien mutieren - und Männer zu Machos.
Ihre jüngste Komödie ist das auf deutschen Bühnen zu Recht meistgespielte Stück der Saison: Weil ein Junge bei einer Prügelei zwei Zähne verloren hat, schlagen zwei Elternpaare um sich - rein verbal, versteht sich.
Die Kunst des zivilisierten Umgangs entlarvt sich mit aller Wortgewalt: Erst werden höfliche Floskeln gesäuselt, dann hagelt es Vorhaltungen, am Ende bleiben unschöne (Selbst-)Erkenntnisse.
Mit hellster Freude beleuchten vier ausgezeichnete Schauspieler die dunklen Seiten ihrer Charaktere, denn der Mensch ist und bleibt wohl der geborene Egoist. Regisseur Günther Beelitz setzt die pointierte Zimmerschlacht punktgenau um.
Seine Inszenierung ist voller Tempo, gibt dem Ensemble aber trotzdem genug Raum für leise wie laute Gefühlsausbrüche, Zeit für Entwicklungen und den Austausch viel sagender Augen-Blicke.
So hält hervorragende Teamarbeit die Zuschauer in Atem: Hausherr René Heinersdorff gibt den skrupellosen Anwalt, dem das Handy näher steht als seine Frau (Vasiliki Roussi läuft zwischen Tränen, Wut und Diplomatie zur Höchstform auf).
Auch Antje Schmidt spielt ihre Rolle grandios: Als kultivierte Schriftstellerin versucht sie, an der Seite eines Kaufmanns die Fassung zu wahren - Roland S. Blezinger, der sich schnell als hamstermordender Choleriker outet.
Dem Quartett kann man deshalb schwarz auf weiß bescheinigen: Das Gemetzel ist absolut sehenswert.