Was hat Ihr Lehrer Bernd Becher gesagt, als Sie ihm den ersten Stapel Bunker vorgelegt haben? Hat er gemeint, Sie spinnen?
Auszeichnung Becher-Schüler Boris Becker wird ausgezeichnet
Düsseldorf · INTERVIEW Boris Becker erhält auf der Großen Düsseldorfer im Kunstpalast den Kunstpreis der Künstler.
Boris Becker (Jg. 1961) hat nichts mit dem Tennisstar zu tun, sondern mit dem Dichter Jürgen Becker, dessen Sohn er ist. Er begann 1982 an der Hochschule der Künste in Berlin mit dem Experimentalfilm, fand jedoch die damals riesigen Video-Geräte so unhandlich, dass er zum Fotoapparat wechselte. Im Berliner Diplomaten-Viertel entdeckte Becker die Hochbunker und zückte die Kamera. Bei Bernd Becher in Düsseldorf konzentrierte er sich dann mit wahrer Besessenheit auf diese Architektur, die die Deutschen mitsamt dem Zweiten Weltkrieg am liebsten vergessen würden – am Ende sollte er 700 dieser Bauten fotografiert haben. Mit großen Serien wie „Fakes“ und „Artefakte“ wurde er berühmt. Ein Gespräch.
Becker: Das hat er auch gesagt. Er fand das Thema zwar okay, war aber irritiert über die vielen Fotos in Farbe. Ein Bunker will ja nicht zeigen, was er ist. Das ist der Unterschied zu den Bechers. Bei einem Wasserturm kann man die Funktion ablesen, beim Bunker geht das nicht. Er sieht aus wie eine Kirche, ein Wohnhaus, ein Schloss, eine Festung. In den 1970er und 1980er Jahren wurde die Tarnung noch auf die Spitze getrieben, indem man Bunker so bunt angemalt hat, als sei es eine Leinwand. Die Schutzräume erhielten eine neue Hülle.
Bleibt nicht auch die Fotografie an der Fassade kleben?
Becker: Ja. Was tatsächlich in so einem Bunker passiert ist, wo zuweilen Hunderte von Leuten umgekommen sind, transportiert die Fotografie nicht.
Das hört sich wie eine Kritik am bloßen Abbild an. Wie sind Sie denn zu diesem Thema überhaupt gestoßen?
Becker: In einer Karte von 1940 fand ich die Luftschutz-Orte eingetragen, habe die Städte angeschrieben und schließlich über 700 Adressen aufgesucht. Im Herbst wird die SK-Stiftung in Köln alle Motive in einem Buch vorstellen und eine Auswahl in einer Ausstellung zeigen.
Gehören die Aufnahmen der Köln-Bonner Stiftung?
Becker: Ich habe ein Konvolut als ständige Leihgabe zur Verfügung gestellt.
Nun zu den „Fakes“, den Fälschungen. Das Plakat für die Große Düsseldorfer zeigt Luke Skywalker, den Helden aus „Krieg der Sterne“. Dürfen Sie den einfach benutzen?
Becker: Ich inszeniere das Motiv singulär, so dass es zur Kunst wird. Jedes Objekt in den „Fakes“ hat eine Geschichte. Ich habe etwa ein kleines Bild, das Kokain in der Farbe gelöst hatte, fotografiert, ein scheinbar kitschiges Bild mit Sonnenuntergang.
Woher hatten Sie denn die Droge?
Becker: Ich habe gute Beziehungen zum Zoll.
Warum kommt der Betrachter nicht immer hinter Ihre Schliche?
Becker: Sonst wäre es schnell langweilig. Bei den Bunkern ist ja auch nicht alles klar. Ich habe einmal eine Ausstellung mit hundert Bunkern gemacht, und jemand fragte mich, was das denn für Gebäude sind.
Geben Sie ungern Ihr Geheimnis preis?
Becker: Genau. Ich habe einen Papagei fotografiert. Aber um ihn ging es gar nicht, sondern um die Kokainpaste, aus der er geformt ist. Ich habe ein Bild von einem Piranha gemacht. Er steht auf einem Klotz aus Kokain, der in Acryl eingegossen ist. Der Piranha lenkt ab. Das ist der Grund, warum er existiert.
Aber warum sind dann in der Serie der „Konstruktionen“ die Motive in bester Becher-Manier sehr klar und frei gestellt?
Becker: Die Fotografie ästhetisiert alles. Man kann eine Parkuhr oder Gehwegplatten aufnehmen, beide Motive bekommen ihre Würde. Das hat die Fotografie so an sich.
Welche Motive zeigen Sie denn in Ihrer Konstruktions-Serie?
Becker: Das Thema ist sehr breit gefächert. Ich habe Schiffswracks, Achterbahnen, Brückenpfeiler und Baugerüste aufgenommen.
In Ihrem Internet-Auftritt präsentieren Sie den Durchblick auf eine Landschaft. Wenn man Sie kennt, traut man dem schönen Motiv nicht. Was steckt dahinter?
Becker: Der Zweifel an der Brücke. Das Bild entstand eine Woche nach dem Einsturz der Autobahnbrücke bei Genua. Hier ist es eine ähnliche Konstruktion. Und davor steht eine alte Eisenbahnbrücke in Trümmern. Die Brücke auf meinem Foto sieht auch so als, als ob sie gleich zusammenbrechen wird. Alles ist versehen mit einem schönen Blick in die Landschaft. Das Ganze spielt bei Livorno, unweit von Genua entfernt.
Info: Preisverleihung 29. Juni, 18 Uhr, Kunstpalast.