Hauschka komponiert jetzt für Hollywood
Der Düsseldorfer Musiker Volker Bertelmann ist sogar bei einem Oscarfavoriten mit Nicole Kidman verantwortlich für die Musik.
Düsseldorf. Plötzlich klingelt das Telefon und Hollywood ist dran. So oder so ähnlich stellt man sich das ja gemeinhin vor, wenn Schauspieler oder Regisseure die ganz große Karriere machen.
Für Volker Bertelmann ist das nicht mehr als ein Klischee. Tatsächlich läuft das bei ihm auch alles ganz anders mit Hollywood. Einfach so über Nacht geht da gar nichts. Der Düsseldorfer Musiker blickt vielmehr auf eine lange Karriere zurück, mit harter Arbeit, Hochs und Tiefs und doch einer stetigen Weiterentwicklung.
Alles fängt genau genommen an, als Volker Bertelmann 18 Jahre alt ist. Über eine Bekanntschaft wird das ZDF auf seine Band aufmerksam und verwendet seine Musik kurzerhand für die Krimiserie „Ein Fall für zwei“. Gute Gema-Einnahmen bedeutet das.
Nach Studiumsversuchen und Ausflügen in den Hip-Hop bis hin zu einem Vorband-Auftritt bei den Fantastischen Vier entdeckt Bertelmann zu Beginn des neuen Jahrtausends schließlich das präparierte Klavier und wird zu Hauschka. Er bestückt es mit Klebeband, Kronkorken und Tischtennisbällen, orientiert sich auch an den Rhythmuswelten der elektronischen Musik und tourt mittlerweile um die ganze Welt.
Immer häufiger komponiert der heute 49-Jährige auch Filmmusik. 2012 schließlich für den ersten langen Kinofilm. Dass Doris Dörries „Glück“ floppt, hat Bertelmann offensichtlich nicht geschadet. 2014 ist er mit dem brasilianischen Film „Futuro Beach“ bei der Berlinale, mit „The Boy“ folgt 2015 Hauschkas erste US-Produktion. Denn da man nicht einfach zu Hause sitzt und wartet, dass Hollywood anruft, engagiert Bertelmann schon vor Jahren eine Agentin vor Ort. Doch erst tut sich lange nichts.
Das ändert sich, als Schauspiel-Star Elijah Wood eines seiner Konzerte in Hollywood besucht. Er muss beeindruckt gewesen sein. Denn Wood engagiert Bertelmann als Komponist für „The Boy“. Wood ist der Produzent.
Für Hauschka bewahrheitet sich ein Spruch, den er im Gespräch mit der WZ zitiert: „Du bekommst einen Film, wenn du einen Film hast.“ Und so ist Bertelmann in diesem Jahr für die Musik von gleich zwei großen Hollywood-Produktionen verantwortlich. Für die Verfilmung des gleichnamigen Steinbeck-Romans „In Dubious Battle“ mit James Franco (auch Regisseur), Selena Gomez, Robert Duvall, Bryan Cranston, Ed Harris und Zach Braff sowie für den jetzt schon als Oscarfavorit geltenden „Lion“ mit Dev Patel (Slumdog Millionär) und Nicole Kidman. Hauschkas Arbeit für Wortmanns aktuellen Film „Deutschland. Dein Selbstporträt“ geht daneben fast schon unter.
Lion-Regisseur Garth Davis hatte in Melbourne ebenfalls ein Konzert von Hauschka besucht und stand hinterher vor seinem Plattenstand. „Ich hatte auf der Bühne beschrieben, dass mir so ein Konzert innerlich wie eine Zugfahrt durch verschiedene Städte vorkommt. Dieses Bild hatte Davis gefallen. Genau so eine Musik wollte er auch für seinen Film.“
Hauschka ist in Hollywood angekommen. Schritt für Schritt. Alles andere als plötzlich. Und schon gar nicht übers Telefon. Sondern als Ausnahmemusiker.
„Da wird schon der Teil eines Traums wahr. Mir ist, als ob sich die beharrliche Arbeit der letzten 30 Jahre jetzt so richtig auszahlt.“ Auch wenn er sehr glücklich mit seiner Solo-Karriere und seinem Leben in Düsseldorf sei, er habe einfach große Lust, solche guten Projekte zu machen, sagt der vierfache Familienvater gewohnt bescheiden. Gerade „Lion“ habe ihn „sehr geflasht und so bewegt, wie lange kein Film mehr“.
Sechs Monate hat er in Los Angeles mit seinem Freund Dustin O’Halloran an der Musik für den schon so gut wie fertigen Film gearbeitet. Etwa in den berühmten Village-Studios. „Kurz zuvor hatte dort noch Lady Gaga ihr neues Album eingespielt. Da hängen Platten von allen Großen.“ Und zwar von Dylan über Cash bis The Beach Boys. Und da man in Hollywood keine Kosten scheut, war Bertelmann dort, nur um eine kurze Harfen-Sequenz aufzunehmen.
Doch wie vertragen sich Hollywood und das präparierte Klavier? „Es wird sogar verlangt. Aber natürlich gibt es auch immer wieder Momente, wo es das pure Klavier sein muss oder das große Streichorchester.“ Es werde eben eine gewisse Kommerzialität erwartet. Für Hauschka kein Problem. Im Gegenteil. „Nur weil ich solo eher avantgardistische Musik mache, heißt das ja nicht, dass ich nur für Independent-Filme arbeite. Mir gefällt gerade die große Bandbreite.“
Und zu der gehören jetzt auch Besuche bei den großen Festivals. Roter Teppich, Blitzlichtgewitter. „Früher war man als Filmkomponist ja schon froh, wenn man eine Karte für die Premiere bekam, das ist mittlerweile anders.“ Andererseits sei er auch froh, dass bei ihm kein Geschrei ausbricht, wenn er irgendwo auftaucht.
Eher ungewohnt ist es für ihn, auf die großen Stars zu treffen — und verbunden mit einem gehörigen Adrenalin-Ausstoß. „Ich bin da so aufgeregt wie vor einem Konzert.“ Vor allem, weil völlig unvorhersehbar sei, wo so ein Abend endet. Bei einem Empfang im Vorfeld der Oscars im Januar steht Bertelmann etwa plötzlich neben Ennio Morricone, der soeben auf den ebensogroßen Filmkomponisten John Williams trifft. Ins Gespräch komme man aber eher selten. „Viele dieser großen Stars haben eine große Schutzschicht vor sich hochgezogen.“ Aber mit Lion-Regisseur Garth Davis wolle er jetzt beim Filmfestival in Toronto schon richtig feiern. „Da freue ich mich drauf.“
Und auch wenn es Hauschka am liebsten gar nicht hören will: Es gibt immer auch einen Oscar für die beste Filmmusik und zumindest fünf Nominierungen. Was also wäre wenn? „Es ist natürlich schön, darüber nachzudenken. Aber eigentlich steht das jetzt nicht zur Debatte. Mir bedeutet es einfach sehr viel, dass ich an diesen Projekten mitarbeiten durfte.“ Bescheidenheit und Hollywood, das verträgt sich bei Hauschka offenbar ganz gut.