Im Labor der Electronic-Polizei

Im Salon des Amateurs entstehen Klangabenteuer, wird jenseits von Kraftwerk experimentiert.

Düsseldorf. Plötzlich sind sie da. Die zwei Jungs kommen jedes Wochenende in den Salon des Amateurs, bis sie eines Tages dort selbst Musik machen dürfen. Lena Willikens und Detlef Weinrich ahnten, dass der ambitionierte Nachwuchs den Ansprüchen des Clubs würde genügen können. "Ehrliche Musik erkenne ich sofort", sagt die 33-Jährige, die mit Weinrich zum Leitungsteam des Salon des Amateurs gehört.

Ein Besuch im Salon kommt einem Klangabenteuer gleich, das in Düsseldorf und vielleicht in ganz NRW seinesgleichen sucht. Hier summen die Gäste keine Melodien, sondern spitzen beim Tanzen die Ohren, wenn Musikkünstler aus Tonfrequenzen, Geräuschen, Harmonien und Sphären akustische Spektakel weben.

Die beiden Jungs von damals gründeten bald die Band Stabil Elite, die ihrerseits Solisten wie Lucas Croon hervorbrachte, der wie ein besessener Beschwörer dem Synthesizer Schallereignisse entlockt.

An Croon und an Stabil Elite manifestiert sich ein Phänomen, das ohne den Salon des Amateurs nicht zu denken ist. Im Umfeld des Clubs, der sich in der Kunsthalle am Grabbeplatz eingemietet hat, wächst die Musikavantgarde Düsseldorfs heran, residiert, wie Nörgler sagen, die "Electronic-Polizei". Lena Willikens muss lachen, wenn sie das hört. "Die Leute unterstellen uns, dass wir einen Bildungsanspruch haben, aber das ist nicht ganz richtig."

Ganz falsch ist es aber auch nicht, denn die Salon-Macher sind Ästheten und haben eine klare Vorstellung von dem, was gespielt werden darf und was nicht. "Wir wollen herausfordern", sagt Willikens. "Der Abend muss bunt und reich an Stilen sein, damit sich die Leute für Sachen begeistern, von denen sie sich nie hätten vorstellen können, dass diese sie packen."

Das elektronische Musikuniversum ist groß. Lena Willikens arbeitet gerade an ihrem Soloprojekt Tam Tam Delia. Dazu nutzt sie das Theremin, ein elektronisches Musikinstrument, das ohne direkten Körperkontakt gespielt wird. Antennen übermitteln Bewegungen an die Technik.

Sie und Weinrich haben an der Kunstakademie Bildhauerei studiert. "Das bedeutet, wir bespielen Räume. Im Salon machen wir nichts anderes", sagt Weinrich. Der 44-Jährige ist Gründungsmitglied von Kreidler und solo als Toulouse Low Trax unterwegs. Sein Interesse an Musik wurde im Jahr 1984 geweckt, als er an dem Electric-Boogie-Stück "Let the music play" von Brenda Schannon Greene Gefallen fand. Sehr bald entdeckte er die Unerschrockenheit italienischer DJs, die Musikstücke in neue Tempi zwangen und so interessante Kompositionen modellierten.

Mit diesem Mixstil in den Ohren reifte Weinrichs musikalisches Verständnis. Ja, auch mit dem Wissen um Krautrock und, natürlich, auch mit Kraftwerk.

Dass die elektronische Musik, dass Düsseldorfs Kunstszene an Beuys und Kraftwerk kleben, stört Weinrich und auch Willikens. "Düsseldorf ist nicht darauf zu reduzieren, bitte nicht." Ein bisschen stolz sei man, dass die berühmtesten aller Pioniere elektronischer Musik aus Düsseldorf kommen. Aber: "Sie waren Superstars und fern der Szene. Heutekommen sie mir fast vor wie deren Maskottchen", sagt Willikens.