„Gute Aussichten“ im NRW-Forum Junge Fotografen stellen mit ihren Bildern Fragen an die Gesellschaft

Düsseldorf · Die neueste Serie von „Gute Aussichten“ ist angelaufen. Sie bietet neue Blicke auf die Fotoszene im NRW-Forum.

Blick in die Ausstellung „Gute Aussichten“ mit neun jungen Fotografen im NRW-Forum.

Foto: Katja Illner, NRW-Forum/Katja Illner

„Gute Aussichten“ nennt sich eine Ausstellungsreihe junger Fotografen, die weit mehr bieten als das, was gemeinhin in Düsseldorf zu sehen ist. Die Absolventen deutscher Hochschulen greifen frisch, frech und erfindungsreich die politischen und gesellschaftlichen Themen der Zeit auf, wobei die Suche nach der Identität im Mittelpunkt steht. Sie erzählen, dokumentieren und liefern Fakes, wobei das Ergebnis eine spannende Ausstellung ergibt. Sie findet im linken Flügel des NRW-Forums statt.

Die Organisatoren Stefan Becht und Josefine Raab haben unter dem Titel „Gute Aussichten“ aus 82 Einsendungen neun Preisträger auswählen lassen, deren Werke nun zu sehen ist. Den Auftakt macht Lukas van Bentum aus Düsseldorf, der in Bielefeld studierte und sich der russischen Enklave Kalinigrad widmete, dem einstigen Königsberg. Sieben Wochen lang untersuchte er das Leben der Menschen in der „post-sowjetischen Generation“, besessen von der Frage, wie sich die junge russische Generation heute gibt.

Gute Aussichten: Lukas van Bentum steht vor seiner Bilderwand im NRW-Forum.

Foto: Helga Meister

Die vormals östlichste Stadt des Deutschen Reichs ist nun die westlichste Stadt der Russischen Föderation. Im Kalten Krieg war sie militärisches Sperrgebiet. Heute ist sie von den EU-Mitgliedern Polen und Litauen umgeben. Lenin steht auf einem lädierten Podest vor einer Backsteinarchitektur der Schinkel-Zeit. Das alte Schloss ist durch ein Haus der Sowjets ersetzt. Es gibt Apparatschiks, Punker mit gebleichten Haaren, Hipster, Rocker mit Irokesen-Frisur und Kriegsveteranen. Man sieht Plattenbauten und eine neue römisch-orthodoxe Kirche nach dem Vorbild Moskaus. Ein Kaleidoskop also „zwischen altem Krieg und jungem Europa“, wie es Lukas van Bentum nennt.

Der Sturm auf den Reichstag aus Sicht der Russen

Juliane Jaschkow stammt aus einer deutsch-russischen Familie. Ihr Ausgangspunkt ist ein historisches Foto vom 2. Mai 1945, als die Sowjets den Reichstag stürmten und die sowjetische Flagge auf dem Dach hissten. Noch heute wird diese Szene auf einem Feld nahe Moskau mit hundert jungen Statisten vor zahlreichen Zuschauern und laufenden Kameras nachgespielt. Die Künstlerin reflektiert den Blick auf die deutsch-russische Erinnerungskultur. Für die Russen ist der nachgebaute Reichstag eine Selbstvergewisserung nach einem Krieg mit 20 Millionen toten Sowjetbürgern. Für die Deutschen gerät dieses Ereignis als „Stunde Null“ fast in Vergessenheit.

Larissa Rosa Lackner bettet eine fiktive Heide Peschke in eine multimediale Installation. Sie lebte in den 1980er Jahren in einem Plattenbau der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) als Steinsammlerin. Der Betrachter erfährt eine teils wahre, teils erfundene Geschichte von der Gesellschaft in der ehemaligen DDR. Sie selbst stammt aus Bayern, lebt seit 2008 in Leipzig und ist inzwischen tief eingetaucht in die Vielschichtigkeit der deutschen Geschichte und ihrer Menschen.

Fotos aus den zerschossenen Mauern im Bosnienkrieg

Gleichfalls aus Bayern stammt Marco Mehringer, der in Weimar studierte und nach Sarajevo aufbrach, um in der berüchtigten „Pansion Osmice“ zu fotografieren. Dieses ehemalige Hotel diente im Bosnienkrieg den bosnischen Serben als Stützpunkt, um die im Talkessel liegende Metropole unter vierjährigen Dauerbeschuss zu nehmen. Mehringer dokumentiert nicht den Ort, sondern bündelt das Licht, das durch die Einschusslöcher in den Mauerresten auf seine Lochkamera fällt. Die Hotelruine wird so zur Camera Obscura, die das Licht abbildet, das durch die Löcher fällt. Der Blick der Kamera wie des Betrachters gleicht dem des Scharfschützen, obwohl die Löcher von den Gegnern verursacht wurden. „Schusslicht Sarajevo, Fotos als Tatorte“ nennt Mehringer seine Serie.

Heute lebt der Dämon in einer großen Plasmablase

Ganz anders Malte Sänger, der den Daimon der Griechen zitiert, um hinter die Schliche der Computerindustrie zu kommen. Er fischt Bilder mit handgebauten Antennen aus dem All, manipuliert aber auch die Technik der Gesichtserkennung in den Handys mit Infrarotfiltern, so dass die ahnungslos auf genommenen Personen krebsrot erscheinen. Er sammelt aber auch Elektroschrott, entschlüsselt das Passwort und holt das nur scheinbar verlorene Leben der Smartphone-Besitzer in die Erinnerung zurück. Der Daimon hat sich in eine Plasmablase verwandelt.

Info: NRW-Forum, Ehrenhof, bis 16.2.2020. Bericht zu weiteren Ausstellungen im Haus folgt.