Klaus Klinger - „Das künstlerische Schaffen ist eine sehr existenzielle Frage“
Klaus Klinger steht hinter dem Verein Farbfieber. Bevor er Wandbilder malte, studierte er bei Gerhard Richter.
Düsseldorf. Vielleicht ist es für einen wie Klaus Klinger gar nicht so ungewöhnlich, dass er sich mit Gerhard Richter am besten verstand, wenn er mit ihm stritt. Klinger war damals Student an der Kunstakademie, und der heute teuerste Maler der Welt sein Professor. Bei ihrer Diskussion ging es um die Frage, ob Kunst und Politik etwas miteinander zu tun haben dürfen. Sie müssen, beharrte Klinger. „Dann geh’ doch in die Politik“, maulte Richter, und die Studenten amüsierten sich über den schlaffen Konter ihres Lehrers.
1972 ging es turbulent zu am Eiskellerberg, Beuys war der Akademie verwiesen worden, überall wurde debattiert und sich auseinander gesetzt. „Wir hatten keine Angst vor den Professoren“, sagt Klinger. „Es war eine politischere Zeit als heute.“
Ganz verlassen hat er diese Zeit nie. Mit seinem Verein Farbfieber gestaltet er seit Jahrzehnten den öffentlichen Raum in Düsseldorf, Deutschland und im Ausland. Malt Wandbilder mit Botschaft auf Häuserfassaden. Deren Aussagekraft ist vielleicht nicht jedes Mal konsequent politisch, bringt jedoch mindestens ein gesellschaftliches Verhältnis zum Ausdruck. Und so protestiert er mal gegen die Straßensatzung der Stadt Düsseldorf (Düsseldorf, Park Kettwiger Straße/Höher Weg), mal gegen die Diskriminierung Schwarzer (Windhoek/Namibia), lästert über die Politik der „Bad Bank“ (Düsseldorf, Ackerstraße) und über Otto Schilys großen Lauschangriff (Düsseldorf, Hellweg); ein anderes Mal nimmt er sich in St. Petersburg des Themas „Männer- und Frauenrollen“ an. Er lädt Künstler aus Nicaragua, Kuba und der Türkei ein, arbeitet wochenlang mit Malern in der Bronx und in den Townships von Namibia. Er meint es ernst, wenn er sagt, „wir wohnen, arbeiten und essen zusammen.“
Klinger gehört zu der kleinen Zahl Engagierter, die mit ihrer Gutmenschen-Mentalität diejenigen beschämen, denen politische Korrektheit peinlich geworden ist. Für ihn ist die Beschäftigung mit der Kunst eine „sehr existenzielle Frage“. „Wenn ich ein Projekt organisiere, fordere ich meine Mitstreiter zur Diskussion. Ich möchte, dass wir über unsere Werke genauso nachdenken wie über die Welt.“ Er verstehe sein Tun als einen kommunikativen Prozess, der nicht allein durch den Künstler bestimmt werde. „Mich interessiert die abgeschottete Kunstwelt mit Galerien und Ausstellungen nicht.“
Klaus Klinger ist jetzt 57 Jahre alt. Er ist Opa zweier Enkel und führt ein Leben, das zu 50 Prozent aus bürokratischen Erledigungen besteht. Von seiner Kunst kann er leben. „Vielleicht bin ich heute nicht mehr ganz so optimistisch, dass man mit Bildern die Welt verändern kann“, meint er.
Nach wie vor ärgert ihn, dass „die Leute die Gestaltung ihrer Stadt nicht mitbestimmen dürfen“. Deswegen macht er auch bei der Freiraum-Bewegung mit, einer Initiative der freien Düsseldorfer Kulturszene, die für mehr Mitsprache bei der Stadtplanung kämpft.
Im nächsten Jahr feiert der Verein Farbfieber sein 25-jähriges Bestehen. Die Vorbereitungen laufen, sind aber noch geheim. Die Begeisterung für die Sache ist Klaus Klinger noch nicht ausgegangen. „Wenn man das Gerüst nicht mehr hinaufklettern kann, erst dann ist Schluss.“