„Puppen“: Irritierend, verstörend, anregend
„Puppen“ von Kevin Rittberger löst gemischte Gefühle aus: Es ist Musik, Bild und Schauspiel in einem.
Düsseldorf. Engagiert, fast schon leidenschaftlich steht er hinter der Theke. Er führt Verkaufsgespräche, berät und fachsimpelt. Allein: Der Fleischer aus Kevin Rittbergers neuem Werk „Puppen“ hat keine Ware zum Verkauf, er ist „der Fleischer, der hinter der Auslage steht auch ohne Fleisch“. Am Donnerstag kam die musiktheatralische Installation, die in einer Zusammenarbeit von Rittberger, Hauschka und Stefan Schneider entstand, im Kleinen Haus des Schauspielhauses zu seiner ersten Aufführung.
Irritierend, fast schon verstörend wirkt „Puppen“ auf den Zuschauer. Es bleibt Fragment, Stückwerk. Anstelle einer Handlung stehen neun Szenen, in denen die Figuren, der Klandestino (Ingo Tomi), „der Fleischer, der hinter der Auslage steht auch ohne Fleisch“ (Rainer Galke), „die Frisörin“ (Elena Schmidt), „die Frau, die vom Schwindel überfallen wird“ (Karin Pfammater) und „der Chor, der die Arbeit abschafft“ (Markus Danzeisen), in verschiedenen Konstellationen miteinander interagieren. Meist beschränkt sich diese Interaktion auf den Dialog.
Bevor der erste Schauspieler die Bühne betritt, wird „Puppen“ durch eine 20-minütige Ouvertüre, eine Hauschka-Komposition, eröffnet. Zehn Musiker an Celli, Violinen, Posaunen, Klavier und Percussion führen auf der kahlen Bühne in das Stück ein. Jedes Instrument bricht von Zeit zu Zeit aus der stoischen Monotonie der Töne aus. Eine bedrückende, bedrohliche Atmosphäre, die hier inszeniert wird.
Klar, der Fleischer, der die Bühne später betritt, ist eine Chiffre. Er folgt den Mechanismen des Kapitalismus ohne Sinn und Verstand. Und ohne Fleisch. Doch was bleibt vom Kapitalismus ohne Ware? Seine Fleischerei zumindest wird im Laufe des Stücks geschlossen.
In „Puppen“ ist es der Klandestino, der Fragen aufwirft. Er ist derjenige, der von außen in das System eindringt, stört und hinterfragt. Wovon da auf der kahlen Bühne wirklich gesprochen wird, erschließt sich dem Zuschauer kaum. Ebenso wenig wie die Liebesszene zu Beginn zwischen Klandestino und der Frisörin oder der Schwindel der Frau. Oder der Schlussakt: Schauspieler stehen während der letzten 15 Minuten nicht auf der Bühne. Stattdessen Stefan Schneider, der Videoaufnahmen von Düsseldorfer Stadtsituationen auf eine Leinwand wirft. Zwei Werkshallen, eine Straßengabelung, das Rheinufer, eine große Wiese. Inmitten der Bilder jeweils eine Figur aus „Puppen“. Dazu eine minuziöse Beschreibung Schneiders.
„Puppen“ muss nicht gefallen. Zum Nachdenken sollte es aber doch anregen. Das Publikum honorierte das und die gute Leistung aller Akteure mit ausdauerndem Beifall. „Puppen“ muss erst einmal verdaut werden.