Die Kunst hängt an der Straße

Florian Kuhlmann lässt hundertfach Kunst-Plakate in der Stadt aufhängen und verlinkt die Aktion mit dem Internet.

Düsseldorf. Kunst wird im Museum ausgestellt. Diskussionen über Internet und Datenschutz sind keine Kunst — solche wie selbstverständlich klingenden Sätze gelten bei Florian Kuhlmann nicht. Der Düsseldorfer Künstler hat eine Ausstellung in den Straßen der Stadt organisiert, die mit einem Blog im Internet vernetzt ist. Fragt man Florian Kuhlmann nach seinen künstlerischen Vorbildern, antwortet er: „In der Art hat es das, glaube ich, noch nicht gegeben.“

Ausgangspunkt war das Unbehagen am Verlust von Privatsphäre durch das Internet. Kuhlmann (36) hat schon bei Arbeitskreisen mitgemacht, in denen solche Themen von Computer-affinen Menschen diskutiert werden: „Die Vorratsdatenspeicherung finde ich zum Beispiel nicht unbedingt optimal“, sagt Kuhlmann. „Es geht niemanden etwas an, was ich im Internet mache, wem ich E-Mails schreibe.“

Die Diskussion über dieses Thema wird im Internet geführt, aber auch Künstler setzen sich damit auseinander. Kuhlmanns Idee war nun, beides zusammenzubringen. Er bat bekannte Kollegen um Beiträge. Einige kannte er, andere suchte er im Netz. Daraufhin schufen zehn internationale Künstler Plakatmotive, die Kuhlmann in mehreren Etappen in der Innenstadt hängen lässt, insgesamt über 2500 Stück.

Auch wenn das sich nach viel anhört, so fallen die Werke nicht sofort ins Auge. Meist hängen sie zwischen Veranstaltungspostern. „Der Plakathänger hat Plätze ausgesucht, wo die Plakate nicht unbedingt nach ein paar Tagen verschwunden sind“, erläutert Kuhlmann.

Dazu gehört das Plakat der Gruppe Monochrom mit dem Satz „Privatsphäre ist eine bürgerliche Fantasie“. Philipp Teister hat ein Motiv gestaltet, auf dem er den Zugang zu seinem Facebook-Konto verrät und damit jedem ermöglicht, dort unter seinem Namen Einträge zu hinterlassen.

Direkt ins Netz verweist auch der Beitrag des US-Amerikaners Evan Roth, dessen Poster eine Google-Seite zeigt, wobei in der Suchleiste drei englischsprachige, derbe Begriffe eingetragen sind. Roth hat seinen eigenen Blog so angelegt, dass bei jeder Google-Suchfrage mit dieser Begriffskombination seine Homepage an erster Stelle in der Trefferliste auftaucht. Roth verweist damit auch auf die Bedeutung der Suchmaschine: Viele Firmen bezahlen heute Agenturen dafür, sie mit verschiedenen Tricks bei Google nach vorn zu bringen.

So versuchen die Künstler auf vielfältige — meist spielerische — Art, die Wirkungsweisen des Internets offenzulegen. Zum Teil enthalten die Plakate auch einen zusätzlichen Verweis auf die Seite „Transprivacy“, auf der Kuhlmann die Ausstellung dokumentiert und Diskussionsbeiträge zum Thema versammelt hat, wo auch gegensätzliche Ansichten aufeinanderprallen: „Wer darauf stößt, soll sich seine eigene Meinung bilden“, sagt Kuhlmann.

Kuhlmann hat in Köln studiert, bevor er aus privaten Gründen vor einigen Jahren nach Düsseldorf kam. Auch bei der Aktion „Vierwändekunst“ ist er schon als Organisator und künstlerischer Leiter aufgetreten. Mit dem Projekt „Transprivacy“ verdient er kein Geld. Auch die teilnehmenden Künstler haben auf Honorar verzichtet. Mehrere Sponsoren, darunter die Stadt Düsseldorf, ermöglichen es, die Aktion zu realisieren, ohne dass Kuhlmann auf den Kosten sitzen bleibt. Um Geld zu verdienen, betreibt er ein Büro für Kommunikation.

Als Nächstes hat Florian Kuhlmann diese Woche eine Ausstellungseröffnung in Berlin. Er zeigt dort großformatige Collagen, die er mit Photoshop aus unzähligen Versatzstücken aus dem Internet zusammengesetzt hat. Die Werke kann sich jeder im Netz herunterladen und ausdrucken. Kuhlmann: „Ich gebe dem Internet zurück, was ich mir dort genommen habe.“