Andrea Breth in Düsseldorf: „Da gibt es nichts zu lachen“
Star-Regisseurin Andrea Breth inszeniert in Düsseldorf Isaak Babels „Marija“. Der Stoff ist nach ihrer Aussage „harter Tobak“.
Düsseldorf. Wie überall, so herrscht auch im Düsseldorfer Schauspielhaus striktes Rauchverbot. Doch niemand wagte zu murren, als sich Andrea Breth auf der Probebühne eine Zigarette anzündete. Die Regie-Meisterin, die wie kaum eine andere sensibel mit Sprache und Schauspielern umzugehen weiß und ein ständiger Gast der Salzburger Festspiele ist, strahlt Autorität aus. Nicht nur, wenn die Haus-Regisseurin des Wiener Burgtheaters mit geharnischten Worten gegen Regietheater und das Verhunzen von Klassikern wettert, und gegen Theaterkritiker, die Schauspieler nur am Rande erwähnen. Egal — wenn Breth nun endlich in Düsseldorf arbeitet, herrscht Ausnahmezustand.
So sieht Staffan Valdemar Holm über den blauen Dunst hinweg. „Ein Traum wird wahr“, schwärmt der Intendant, als er die für ihre unvergleichbare Sprechtheaterkunst bekannte Breth vorstellt. Freitagabend, nach der Probe. Madame in bequemer Hose und weitem Pullover kommt gleich auf den Punkt: „Warum ich hier bin? Das wollen Sie wissen, oder?“ Häufig hätte sie ihr guter Freund Holm, der selber auch in Wien Regie führte, nach Stockholm in das „Dramaten“ eingeladen. Doch da sie kein Schwedisch spricht, habe sie nie gewagt, dort Theaterstücke zu inszenieren. Als Holm dann Chef in Düsseldorf wurde, habe er ihr gesagt: „Jetzt hast du keine Sprachprobleme mehr.“ Da sie in diesen Wochen zufällig frei war, sagte sie zu und entschied sich für Isaak Babels „Marija“, ein Stück über die Wirren der Russischen Revolution und die dramatischen Veränderungen der Gesellschaft, das am 7. Januar Premiere feiern wird.
„Es ist ein Riesenbrocken, ohne Erlösung. Ein starker Tobak. Da gibt es nichts zu lachen“, formuliert Andrea Breth. Es klingt wie eine Drohung. Aber Stadttheater sei kein Ort reiner Belustigung, sondern „ein Ort des Nachdenkens und der Andacht“. Das biete auch Babels Stück in acht Bildern und mit 22 Darstellern. Darunter befinden sich auch Gäste der Wiener Burg und die Kostümbildnerin Moidele Bickel (mit dem Bundesfilmpreis ausgezeichnet für die Kostüme im Streifen „Das Weiße Band“).
Seit 30 Jahren fasziniere sie der Stoff von Babel (1894-1939). Doch „es war nie der richtige Zeitpunkt.“ Der sei jetzt gekommen. „Gerade in dem satten Düsseldorf“, provoziert sie. In einer Zeit, in der „durch die Weltwirtschafts- und Eurokrise die Menschen von panischer Angst gepeinigt sind, plötzlich alles zu verlieren“, gewinne das Stück mit vielen Sprachebenen an Brisanz, besonders in wohlhabenden Städten. Das heiße nicht, dass sie die Russische Revolution tagespolitisch aktualisiere.
Breth, die bekanntermaßen eine Schwäche für russische Dramatiker und Komponisten hat: „Wir machen das Russland der 20er Jahre und den Kampf zwischen Rotarmisten und zarentreuen Militärs sichtbar.“ Es gehe Babel um die Umbruchszeit. Das Werk „Marija“ mit seinen zwischenmenschlichen Tragödien, das der systemskeptische Autor 1935 fertigstellte, wurde erst 1964 in Italien uraufgeführt. Babel fiel dem Terror stalinistischer Kulturpolitik zum Opfer und wurde vermutlich 1939 ermordet.