Küche als Ort für Katastrophen
„Musterküche“ nennen Gäste aus Halle eine absurde Keramik-Schau von Künstlerinnen.
Düsseldorf. Die meisten Unfälle passieren im Haushalt. Besonders die Küche ist ein Ort für Katastrophen. Hier führt selten ein Sterne-Koch Regie über das Menü, sondern ganz normale Menschen, deren Hantieren mit den notwendigen Zutaten und Gerätschaften manchmal unglücklich ausgeht.
Junge Künstler haben diese versicherungstechnischen Erfahrungswerte nun zugespitzt. Und was die ehemaligen Studenten der renommierten Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle, allesamt Keramikerinnen, in ihrer Ausstellung im Hetjens-Museum als „Musterküche“ bezeichnen, wirkt wie eine Kleinbürger-Komödie. Eine Schau des Absurden. Die Künstlerinnen haben sogar Einbauschränke mitgebracht.
Marie-Luise Meyer attackiert die Fertigkost, die Unnatur des Kochens und Backens. Sie schiebt in die Röhre ein aufgeblasenes Keramikhuhn, ein Retortenvieh, und umgibt es mit einer merkwürdigen Spezies schalenloser Eidotter. Von ihr stammen auch alte Eimer mit einem Sud aus einer Glasschmelze. Von der Decke hängen Schweinsfüße zum Ausbluten an Edelstahlhaken, die in der rötlichen Glasur auf den Kochtopf warten. Das Kochen im Alltag hat mit den Fernseh-Kochkünsten nichts zu tun.
Fast schon eklig wirkt Claudia Klinkerts Tiefkühlkost im abgetauten Kühlschrank mit deformierten Kartons aus Steinzeug. Erbsen quillen mitsamt Gießharzhülle auf und liegen in den gläsernen Tauwasserpfützen Bei dieser Fertigkost vergeht einem der Appetit. Zugleich kredenzt die Künstlerin ihre Kritik an der Essenszubereitung als optisches Spektakel. „Köstlich“ anzuschauen ist, wenn sie den Fließbandfisch „falsch“ aufschneidet, so dass das halbe Vieh aus dem gläsernen Kasten zu driften scheint.
Absurd ist es, wenn schließlich auch die Pappe „auftaut“ und formlos wird. Derlei alltägliche Szenen sind so keramisch eingefroren, dass sie ans Slapstick-Theater erinnern.
Judith Runge greift das Thema Chaos auf. Sie demonstriert den Krimskrams einer Tischschublade in champagnerweißem Steinzeug, das übereinander liegt. All die Habseligkeiten, Schläuche, Stöpsel, Bänder und Knöpfe wirken merkwürdig weich und funktionslos wie Gummizeug.