Glaskunst-Preis Kunstpalast: Glaskunst trifft auf Maschinen

Düsseldorf · Am Samstag werden drei Künstlerinnen mit dem renommierten Jutta-Cuny-Franz-Award geehrt.

Über Algorithmen bringt der Holzklöppel am Roboterarm die der Glasglocke zum Klingen.

Foto: G.J.van Rooij

Glasmuseum Hentrich im Kunstpalast: an einer Wand im Kabinett ist ein Metall-Arm montiert, mit einer Glasglocke als „Hand“ und einem hölzernen Klöppel, der am Ende mit einem Silicon-Zylinder verdickt ist. Die Glasglocken-Hand zeigt auf ihr „Zwillingsmodell“, das an der gegenüberliegenden Wand befestigt ist. Die beiden exakt gleichen Glas-Metall-Holz-Gebilde erinnern an Roboter-Arme. Die Holzklöppel schlagen auf die Glasglocken, die um die eigenen Achsen rotieren. In unterschiedlichen Abständen, mal nach fünf Sekunden, mal nach sieben Sekunden. Gläserne Klänge dringen durch den Raum, schwingen, schweben, vibrieren – mal zart, mal kräftiger, mal ausladend laut. Ein sphärisches Konzert, drei bis fünf Minuten lang, automatisch gespielt von zwei Roboterarmen.

Die Hauptpreisträgerin: Medienkünstlerin Evelina Rajca.

Foto: Evelina Rajca

„smart.ing bodies“ nennt sich die Instrument-Skulptur. Kreiert hat sie die Medienkünstlerin Evelina Rajca. Dafür erhielt sie nun den mit 10 000 Euro dotierten Jutta-Cuny-Franz-Erinnerungspreis 2019. Er gilt als ein renommierter internationaler Preis für Glaskunst. Die Auszeichnung wird alle zwei Jahre von der Jutta Cuny-Franz Foundation in Erinnerung an die Bildhauerin Jutta Cuny-Franz (1940-1983) verliehen, die zu den profiliertesten Vertreterinnen der Glasskulptur in Europa zählte. Seit 1994 betreut das Glasmuseum Hentrich im Kunstpalast die Jutta-Cuny-Franz-Foundation. Daher zeigt das Museum im Ehrenhof die Werke der Gewinner in einer Kabinettausstellung. Neben dem Hauptpreis gibt es auch mit 1 500 dotierter Förderpreise, diese gingen an die koreanische Künstlerin Sun Jun Lee und die japanische Künstlerin Ayako Tani.

Die 1984 in Polen geborene Hauptpreisträgerin Evelina Rajca pendelt mit ihrer Glas-Klang-Skulptur zwischen selbstbestimmter menschlicher Kunst, künstlicher Intelligenz und Robotik. Die Glasglocken hat sie aus einer selbst entwickelten QuarzMischung produziert, darunter Siliciumdioxid, mit dem Chips für Computer und Smartphones hergestellt werden. Außerdem hat die in Den Haag lebende Künstlerin eine algorithmische Komposition geschrieben – mit Parametern, die sie selbst bestimmt, und Parametern, die der Maschine die Macht über das Glas-Spiel überlassen. Jedes Material schwingt in einer bestimmten Frequenz. Evelina Rajca moduliert die Frequenzen der Glasglocken, hat ihre Komposition so programmiert, dass die Klöppel nicht zu heftig auf das Glas schlagen, sondern sich selbst regulieren, andernfalls könnten die Glocken zerstört werden. Schön und elegant sehen die Metall-Holz-Glas-Skulpturen zwar nicht aus, sie erinnern mit den sichtbaren Schrauben und Kabeln an die funktionalen Roboterarme aus der Industrie, spannend ist aber, wie Rajca sie mittels Algorithmen zu smarten Sound-Performern verwandelt, allerdings bis zu einer Grenze. In ihrem Werk spiegelt sich das Wechselspiel zwischen menschlicher Kontrolle und maschineller Kontrolle über die Dinge des Lebens wider – somit kommentiert es auch die aktuellen Debatten um Big Data.

Sun Jun Lee schmilzt bunte Glasfäden auf Flachglas.

Foto: Sun Jun Lee

Die japanische Künstlerin Ayako Tani (geboren 1981 in Tokio) hat in ihrer Skulptur „Murmuration“ die Bewegung eines Vogelschwarms eingefangen. Sie besteht aus etlichen senkrecht nebeneinanden Glasröhren. Mit der Technik des Glasblasens vor der Lampe (funktioniert wie ein Bunsenbrenner) hat sie die Röhren erhitzt und mit schwarzen, grünen und rosa „Tropfen“ versehen. Die Farben erstrahlen dank leuchtender Lämpchen in den Röhren. Eine gläserne Kalligraphie der Flugbewegung zeichnet sich ab: schwungvoll, flüchtig, melancholisch, poetisch.

Die koreanische Künstlerin Sun Ju Lee (Jahrgang 1978) hat in ihrer Serie „Enfolded Surface“ (umfasste Oberfläche) zehn gleich große Flachglas-Bilder (alle 30 x 30 cm) an die Wand gehängt. Auf die Objekte hat die Künstlerin bunte Glasfäden aufgeschmolzen. Sie wirken wie abstrakte Kristall-Gemälde, für die Motive braucht es Fantasie: violettes Gebirgsmassiv unter rotem Himmel? Grüne Insel vor schwarzem Festland in weiß-rotem Ozean? Als Vorlagen dienen Sun Ju Lee Fotografien von Straßen und Plätzen in der englischen Hafenstadt Sunderland. Sie interessiert sich für Schattenspiele. Sie sieht in ihnen mehr als schwarz und weiß, deswegen transformiert sie die Schatten in bunte Linien und Flächen.

Preisverleihung am Samstag, 11. Mai, um 11 Uhr im Kunstpalast, Foyer der Sammlung, Ehrenhof 4-5, Ausstellung bis 1. September.