Kunstverein: Die Jungen zitieren die Alten – dürfen sie das?
„Wahrnehmung von Ideen führt zu neuen Ideen“ – dieses Motto zeigt die aktuelle Ausstellung in der Kunsthalle.
Düsseldorf. Die Strategien der Aneignung sind aktueller denn je, zumindest in Düsseldorf, der Stadt des verstorbenen Jörg Immendorff. Niemand kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt sagen, was aus seinem Werk und seinem Nachlass echt, was von Assistenten hergestellt, was zeitgleich oder später von ihm abgesegnet worden ist. Nicht ganz so hart, aber ähnlich ist es mit dem Aneignen von Kunst durch die jüngere Generation.
Wer in der Kunsthalle am Grabbeplatz im Obergeschoss die Räume des Kunstvereins betritt und zu den Fotos des in Kopenhagen und New York lebenden Joachim Koester läuft, wird sie nicht sofort einordnen können. Sieht das nicht aus wie von Ed Ruscha, dem großen Fotokünstler der 70er Jahre, der die Generation von Bernd und Hilla Becher über Andreas Gursky bis, eben, Joachim Koester begeistert hat?
Ruscha fotografierte damals schwarzweiß, in jenem unvergleichlichen kalifornischen Licht, aber mit kritischer Attitüde. Eine seiner Serien nannte er "Real Estate Opportunities", wobei er Grundstücksangebote des noch heute existierenden Immobilienkonzerns Real Estate ablichtete. Es handelte sich um unbebaute, zum Verkauf stehende und mit Unkraut bewachsene Parzellen in Los Angeles. 37 Jahre später besuchte Koester einige dieser Orte, die längst verkauft, bebaut und verändert waren, fotografierte sie neu, auf alte Weise in Schwarzweiß und in der Art des Ed Ruscha.
Darf er das? Natürlich. Zumindest für Vanessa Müller, die Leiterin des Kunstvereins am Grabbeplatz, ist dies sonnenklar. "Die Handschrift des Künstlers ist nicht so wichtig, das Kunstwerk kann auch von anderen ausgeführt werden. Das war in der Konzeptkunst der 60er und 70er Jahre so, und es findet sich bei den jungen Leuten wieder." Sie nennt es "Re-Make", also Nachbau, Neuauflage und Neugestaltung.
Vanessa Müller erwähnt Jörg Immendorff mit keiner Silbe. Ihre "Strategie der Aneignung", unter der sie ihre aktuelle Schau im Gespräch zusammenfasst, verlässt leider nie den allgemeinen Kunst-Kontext. Da sie jedoch nicht davon ausgehen kann, dass jedermann bei dem verwackelten Geflimmer an der Wand sowohl an Andy Warhols Empire State Building als auch an das ähnliche Wahrzeichen in Mexico City denkt, gibt es erstmals Erklärungen an der Wand.
Wie zu erwarten, regt sich heute niemand mehr über Kunstaktionen auf der Straße auf. Vielleicht hätte man mit dem Thema subversivere Dinge an die Oberfläche befördern können. So aber bleibt alles im Bereich der Kunstgeschichte, wie der wenig werbewirksame Titel "Die Wahrnehmung von Ideen führt zu neuen Ideen". Auch dieser Titel ist natürlich ein Zitat, und zwar von Sol Le Witt aus dem Jahr 1969.