Was den Körper speziell macht
Die Düsseldorfer Choreografin Gudrun Lange wird am Donnerstag vom Land NRW ausgezeichnet.
Düsseldorf. Nein, Gudrun Lange entspricht auf den ersten Blick nicht gerade dem Bild, das man von klassischen Tänzerinnen erwartet. Statt den üblichen schmalen Hüften und fast schon geschlechtslosen Oberkörpern, verfügt die Düsseldorfer Choreografin und Tänzerin über weibliche Rundungen. Eine Tatsache, die ihr mitunter ihre Profession sehr schwer gemacht hat.
Nun wird sie für ihren Umgang damit ausgezeichnet. Sie erhält den mit 5000 Euro dotierten Förderpreis des Künstlerinnenpreises des Landes NRW. In der Begründung der Jury heißt es: "Gudrun Lange bricht bewusst - und ohne dabei an Qualität zu verlieren - mit dem gängigen Tänzer- und Körperbild und eröffnet dem Publikum neue Sichten auf die Tanzkunst." Eine Bestätigung ihrer Arbeit, die der 1975 in Wetzlar geborenen Lange gut tut: "Ich freue mich, dass die Jury das so bewertet."
Rückblick. Dass sie Tänzerin werden wollte, wusste die in Gießen aufgewachsene Frau schon mit 14. "Erst wollte ich Ballerina werden, dann Musicalstar, schließlich wollte ich Modernen Tanz machen", resümiert sie. "Doch letztlich will ich einfach nur als Tänzerin arbeiten können."
Und der Weg dorthin war für sie nicht immer einfach. Sie beginnt ihr Studium an der Hochschule der Künste in Rotterdam. Doch hier passt sie nicht ins Bild, eckt immer an, wird kritisiert für ihren Körper. "Klar, das hat am Selbstbewusstsein gekratzt, aber nicht an meiner Überzeugung, dass ich das kann", erzählt sie. Viel Kraft habe es gekostet, ja, aber in New York, wo sie dann am Broadway Dance Center sowie bei Jennifer Muller/The Works studierte, herrschte ein weit offeneres Klima. Hier zieht sie nicht mehr die zweifelnden Blicke der Skeptiker auf sich. Hier ist sie endlich angenommen. "Das war eine wunderbare und heilvolle Erfahrung", sagt Gudrun Lange.
Ihre Erfahrungen werden ihr Thema. Immer wieder beschäftigt sie sich als Choreografin mit dem Körperbild. Der menschliche Körper im Spannungsfeld zwischen Individualität und Klischee - das fasziniert sie. "Ich interessiere mich nicht für eine bestimmte Technik", verdeutlicht sie, "ich will wissen, was einen Körper speziell macht, was seine inneren Beweggründe sind."
"Beweggründe", so nennt sie denn auch ihr Tanztheaterstück, das sie 2005 mit sechs Jugendlichen unterschiedlichen kulturellen Hintergrunds erarbeitet. Eine Zusammenarbeit, die ihr gefällt. "Diese Grundsätzlichkeit und die Leichtigkeit, mit denen Jugendliche die Welt betrachten, das begeistert mich - und das passt sehr gut zu meinen Arbeiten", erklärt Lange, die seit 1999 in NRW lebt.
Hier würde sie in der Zukunft gerne weiter arbeiten. Am liebsten mit einer eigenen Compagnie - und dennoch frei, schwärmt sie. Gute Bedingungen dafür gäbe es in NRW. "Es wird viel getan für den Tanz, und es existiert überhaupt eine freie Tanzsszene."
Ihre Anfangsjahre im Ballett haben die heute 32-Jährige geprägt. "Der Punkt, an dem ich erkannt habe, wie perfide die klassische Ballettschulung ist, war für mein Leben prägnant", sagt sie. Dem Bild liege ein Ideal von Perfektion zugrunde, das nie erreicht werde. "So erlangt man eine defizitäre Einstellung sich selbst gegenüber. Es ist masochistisch bis zum Abwinken." Der Moderne Tanz jedoch bewirke das Gegenteil. Er mache die Tänzer groß. "Hier hat jeder etwas Wichtiges zu erzählen - jeder hat die Möglichkeit, so zu sein, wie er ist."