Musikkabarett: Das Grauen klimpert sich mit leisen Akkorden heran
Hagen Rether gastiert mit bösartiger „Liebe“ im Kom(m)ödchen.
Düsseldorf. Bürostuhl trifft auf Piano, piefiger Schreibtischtäter auf scharfsinnigen Politsatiriker, Kalauer auf bösartigen Hintersinn. Vielleicht ist es diese Vielschichtigkeit, die Hagen Rether zu einem der scharfzüngigsten Kabarettisten Deutschlands macht. Vielschichtig sind auch die Themen, die Rethers dreistündigen Auftritt am Mittwochabend im ausverkauften Kom(m)ödchen in einen kurzweiligen Ritt durch den aktuellen Politalltag verwandeln.
Mehr als das. Für den Träger des Deutschen Kleinkunstpreises 2008 gehört in seinem Programm "Liebe" alles zusammen. Massentierhaltung und Klimakatastrophe ebenso wie das Alleinstellungsstreben einer katholischen Kirche unter der Führung des "netten Hardliners" Papst Benedikt XVI. und dem medialen Schüren einer diffusen Angst vor allem Fremden.
Das alles vorgetragen in einer Mischung aus Schwäbeln und Ruhrpott-Slang. Dabei schwankt der Essener virtuos zwischen Kichern und Trauern, Größenwahn und Schüchternheit, Augenzwinkern und Attacke - und sein Publikum zwischen Lachanfall und Entsetzen.
Und vielleicht wirkt das alles deshalb so lange nach, weil Rether die Beiläufigkeit imitiert, die Alltäglichkeit des Grauens. Wie er da in Stromberg-Manier im Bürostuhl am Klavier sitzt, wieder und wieder nicht vorhandene Flusen vom eleganten Dreiteiler zupft und seine Spitzen mit Floskeln wie "was reg ich mich auf" begleitet. Oder: "Die kriegen doch alles raus. Die CIA wars."
Unauffällig wie ein Barpianist klimpert Hagen Rether sich mit leisen Akkorden heran, um scheinbar unverbindlich ins Plaudern zu geraten. Hier ein Witzchen, dort ein Kalauer, mundakrobatischer Nonsens zu "Schlaf, Kindchen, schlaf". Und plötzlich wird Rether so treffend und bösartig wie derzeit kaum einer seiner Kollegen.
Planvoll und leicht, sarkastisch, ironisch und voller Angriffslust nimmt der 38-Jährige das Weltgeschehen auseinander. Als personifizierte Rache an den Machern dieser Welt. Rether geißelt die uralte Verlogenheit der Konsumgesellschaft - subversiv, elegant und hundsgemein.