New Guide to Opera: Mit Musik beginnt die Sprache
Die Gruppe New Guide to Opera sucht im Juta nach Formen einer vorsprachlichen Kommunikation.
Düsseldorf. In einem schwarzen Passepartout hängt ein knallroter Vorhang, der sich öffnet und ein Tischchen mit sechs Stühlchen präsentiert. Wie in einer Puppenstube sieht man zunächst keine Figuren, sondern nur den Raum.
Der Vorhang schließt und öffnet sich immer wieder und führt so das Theater als Ort des zeichenhaften Zeigens ad absurdum. Gleichzeitig aber vollzieht sich auf der Ebene des Hörens ein akustischer Frontalangriff.
Die Gruppe New Guide to Opera ist bekannt für ihre musiktheatralische Experimentierlust. Ihr neues Stück mit dem einfältigen Titel "Sing, sing!" sucht nach Formen vorsprachlicher Kommunikation.
Hinter dem geschlossenen Vorhang erzählen flüsternd insistierende Stimmen von einem jungen Mörder, der dem Gericht singend seine emotionale Lage verdeutlicht; von einem Professor, der wissenschaftliche Erkenntnisse als Recitals veröffentlicht, vom Gesang der Gibbonaffen oder von Schreiritualen auf den Lofoten.
Die Truppe um die Regisseure und Komponisten Michael Wolters, Marcus Droß und Christoph Rodatz stellt in dieser Exposition quasi ihre Themen vor.
Dabei schärft sie den Gehörsinn und ironisiert die theatralisch-moralische Anstalt, wenn die Darsteller Suzanna Purkis und Ulrich Merten bürgerliche Familie bei einer Blockflötensession spielen.
"Sing, sing!" ist ein theatralischer Bastard zwischen Performance, Konzert, Hausmusikabend und Kino. Die Gruppe bezieht sich dabei auf Forschungen des Psychobiologen Colwyn Trevarthen, der im vorsprachlichen Kommunikationssystem von Säuglingen einen musikalischen Rhythmus und Spannungsbogen nachgewiesen hat.
Doch wenn Mezzosopranistin Suzanna Purkis im Foyer des Juta singend von der Gibbonforscherin Hillary Springfield erzählt, geht der Vortrag kaum über das Rezitativ hinaus.
Im dritten Teil des Abends flankieren zwei Lesepulte eine bühnenbeherrschende Leinwand. Zur Musik von Scarlatti gibt Suzanna Purkis ein reizvolles Konzert mit vier virtuellen Erscheinungen ihrer selbst und Ulrich Merten an der Viola.
Doch der Rückgriff auf den vorsprachlich-klanglichen Ausdruck überzeugt nicht durchweg. Wenn die beiden in einem Käfig mit Gibbons musizieren oder Ulrich Merten sich ein Duo mit der Video-Aufnahme eines schreienden Säuglings liefert, will der Impuls nicht überspringen.
Abgesehen von einer notwendigen dramaturgischen Raffung klebt "Sing, sing!" zu sehr an den vorgegebenen Themenfeldern seiner Wissenschaftsgrößen, anstatt deren Erkenntnisse einer Prüfung jenseits ihrer bloßen Demonstration auszusetzen.
Nichtsdestotrotz ein spannendes Experiment.
Termine: 5. und 6. Dezember, 20 Uhr; FFTJuta, zwei Stunden, Info und Karten unter 0211/ 87 67 87-18.