Tanz Postkarten aus Vietnam

Düsseldorf · Choreograf Raimund Hoghe inszeniert im Tanzhaus NRW Geschichten zu dem asiatischen Land.

Intensive Bilder mit sparsamen Mitteln: Die südkoreanische Tänzerin Ji Hye Chung und der japanische Tänzer Takashi Ueno.

Foto: Rosa Frank

Unendlich langsam reckt Takashi Ueno seinen Arm in die Höhe, immer weiter, die Finger seiner Hand spreizen sich, ziehen mehr und mehr nach oben, bis der Tänzer einzig aus einer ausdrucksstarken Hand zu bestehen scheint. Dann beugt er sich, wiegt voller Sehnsucht ein unsichtbares Baby, umarmt einen unsichtbaren Menschen. Choreograf Hoghe schafft mit seinen Performern mit wenigen Mitteln intensive Bilder. Ein schwarzes Bühnenbild, ein schwarz gekleidetes Paar, zwei Decken und Postkarten – daraus besteht die Collage „Postcards from Vietnam“, die er im Tanzhaus NRW zur Uraufführung brachte. Für sein Gesamtwerk erhielt er im Anschluss den Titel „L’Officier de l‘ordre des Arts et des Lettres“ des französischen Kulturministeriums.

Der Düsseldorfer Raimund Hoghe hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten, besonders in Frankreich ist der Künstler seit den 1990ern wegen seines ungewöhnlichen Stils beliebt. Seine Werke sind bei den bedeutendsten Theaterfestivals wie in Avignon zu sehen, er gilt als Vorbild für große zeitgenössische Künstler. Hoghe erschafft sein eigenes Schönheitsbild, tritt unter anderem mit seiner Wirbelsäulen-Verkrümmung auf die Bühne und stellte damit schon früh Konventionen infrage. Seine Stücke sind minimalistisch und zunehmend von politischer Haltung, vom Einsatz für Minderheiten geprägt. Auch in Düsseldorf und NRW wird das Werk des 70-Jährigen seither geschätzt.

Szenen, die von Träumen und Sehnsüchten erzählen

Um den Vietnam geht es im aktuellen Stück. Fragile, dreidimensional gestaltete Postkarten inspirierten ihn. Zu Beginn erzählt eine Stimme von einem Schiffsunglück, bei dem Flüchtlinge aus dem Vietnam starben. Die Tänzer Takashi Ueno und Ji Huye Chung entwickeln daraus Szenen, die von Sehsucht und von Träumen erzählen. Sehr fragil wirken die beiden, wenn sie gemeinsam, sich kaum mit den Händen berührend, Linien in die Luft zeichnen, sich verschlingen, langsam die Bühne entlangschreiten. Fröhlich mit den Decken wedelnd, wirbeln sie in einer anderen Szene quer durch den Raum.

Raimund Hoghe selbst schreitet immer wieder achtsam über die Bühne, faltet Decken zusammen, legt sich zu den Performern. Er bedeckt Postkarten, so, als würde er die Träume, die Menschen, die sie hatten, beerdigen. Doch so möchte Hoghe sein Stück nicht enden lassen. Hoffnung ist ihm wichtig. Er hängt weitere Szenen an, in der letzten erhellt nur ein Lampion wie ein Mond die Gesichter der Performer, die sich zur Musik hin- und herwiegen.