Theaterpremiere René Heinersdorff: „Der Film „Honig im Kopf“ war mir zu kitschig“
Durch die Krankheit seiner Mutter lernte Theaterchef René Heinersdorff, sich auf Absurditäten einzulassen. Was das mit der Premiere von „Honig im Kopf“ zu tun hat, sagt er im Gespräch mit der WZ.
Düsseldorf. Mehr als sieben Millionen Besucher haben den Film „Honig im Kopf“ von Til Schweiger im Kino gesehen und einen Mann erlebt, der an Alzheimer erkrankt. Während dessen Sohn und Schwiegertochter mit der Situation zunächst nicht zurechtkommen, beschert die Enkelin ihrem Großvater die letzten schönen Momente, bevor ihm seine Erinnerung endgültig abhandenkommt.
Schweigers Film wurde in Deutschland ein großer Erfolg, bald folgte eine Bühnenfassung. Uraufführung war in Berlin, René Heinersdorff, Leiter des Düsseldorfer Theaters an der Kö, führte Regie. Jetzt holt er das Stück nach Düsseldorf, am 28. April ist Premiere.
Herr Heinersdorff, wie kamen Sie zu dem Stoff?
René Heinersdorff: Über Dieter Hallervorden. Er spielt die Hauptrolle in dem Kinofilm. Als er erfuhr, dass es eine Bühnenfassung von dem Stoff gibt, war er zunächst Feuer und Flamme und bemühte sich um die Uraufführung in seinem Schloßpark-Theater in Berlin. Dann las er das Textbuch und war nicht mehr so begeistert. Es handelte sich um eine adaptierte Fassung des Filmdrehbuchs, die nicht wirklich bühnentauglich war. Ich habe Dieter angerufen und gesagt: Ich mach’s, ich führe Regie, vertraue mir. So kamen wir zusammen.
Zuerst haben Sie jedoch den Film gesehen.
Heinersdorff: Ja, aber nicht als Theatermann, sondern privat. Mit dem Pennäler-Humor hatte ich aber so meine Probleme. Mir erschließt sich die Til-Schweiger-Komik häufig nicht recht. Auch dieses Mal nicht. Trotzdem habe ich mir sehr genau angeschaut, worüber die Leute im Saal lachten. Das interessiert mich immer.
Ihnen hat der Film nicht gefallen?
Heinersdorff: Ich fand ihn kitschig, die Figuren sind zu eindeutig: süße Enkelin, böse Schwiegertochter, einer ist krank und wird auf eine Reise geschickt. Trotzdem hat mir der Grundgedanke der Geschichte gefallen: Es gibt etwas Heilsames neben Pflaster und Therapeuten. Das wird sehr schön über die Enkelin erzählt.
Das ist die Analyse des Profis. Was haben Sie persönlich assoziiert? Das Thema ist ja durchaus anrührend.
Heinersdorff: Es gab bei mir sogar private Bezugspunkte. Meine Mutter war zwei Jahre lang sehr krank. Sie litt unter Parkinson. Die Tabletten, die sie nahm, haben zu Wahrnehmungsverschiebungen geführt, die beängstigend waren für uns Angehörige. Ich hatte teilweise eine richtige Gänsehaut. Wir mussten lernen, dass es hilft, dem Kranken in seine Fantasiewelt zu folgen. Meine Mutter war zum Beispiel einmal fest davon überzeugt, ich sei bei einem Flugzeugunglück verbrannt. Darauf habe ich mich eingelassen, und ihr erklärt, ich hätte rechtzeitig aus der Maschine springen und mich retten können. Es bringt nichts, einem kranken Menschen die eigene Realität aufzudrücken. Das lehrt auch „Honig im Kopf“. Für mich war das eine neue Erfahrung.
Wie treiben Sie als Regisseur der Bühnenfassung der Story die Rührseligkeit aus?
Heinersdorff: Durch Einfachheit. Die Welt wird durch Einfachheit viel klarer. Wir haben ein reduziertes Bühnenbild, und ich komme mit vier Figuren aus: Vater, Sohn, Schwiegertochter, Enkelin. Wenn sich etwa die Schauspieler an das Publikum wenden — sie sprechen ja teilweise die Zuschauer im Saal direkt an —, bleiben sie sachlich. Ich lasse als Regisseur keine sentimentale Intonation zu. Das kündigt sich schon in der ersten Szene an. Die Schauspieler betreten die Bühne und bringen ihre Ratlosigkeit darüber zum Ausdruck, wie man eine solch tragische Geschichte wohl am besten erzählt.
Trotzdem ist es eine Komödie.
Heinersdorff: Oh ja! Ein nur rührender Stoff tut sich schwer. Wir neigen in Deutschland dazu, alles zu kategorisieren, in traurig oder lustig einzuordnen. In den USA und in England wird in dramatischen Stoffen selbstverständlich viel gelacht. Denken Sie nur an Harold Pinter. Eine Kombination aus Lachen und Weinen ist das beste Rezept.
Wenn Sie Stücke wie „Honig im Kopf“ inszenieren, kommt Ihnen das eigene Älterwerden in den Sinn?
Heinersdorff: Ja, sicherlich. Ich habe bei meinen Eltern erlebt, was es heißt, zu spät mit dem Arbeiten aufzuhören. Zu lange die Belastung hinzunehmen und sich keine Zeit für etwas Anderes zu gönnen. Mein Vater hat mit 80 noch gearbeitet, ist vom Büro aus nach Italien gefahren, dort gestürzt und gestorben.
Wann machen Sie also Schluss?
Heinersdorff: Mit 70. Vielleicht.