Konzert Sabine Meyer führt die Klarinette wie eine Singstimme
Düsseldorf · Die Musikerin begeisterte in der Tonhalle mit der Kammerphilharmonie Potsdam.
Bei den Sopranen ist es Anna Netrebko, bei den Geigern Anne Sophie Mutter. Bei den Klarinetten-Virtuosen führt Sabine Meyer das Ranking an. Und zwar weltweit. Kaum anzumerken ist es den spielerischen Kabinettstücken der grazilen, hochgewachsenen Musikerin aus Lübeck, dass sie nächstes Jahr ihren 60. Geburtstag feiern wird. Die immer noch jung wirkende Meyer begeisterte am Reformations-Abend in der sehr gut besuchten Tonhalle mit ihrer unverwechselbaren Kunst, die Klarinette wie eine Singstimme zu führen. Zusammen mit der Kammerphilharmonie Potsdam gab sie gleich zwei Bravur-Stücke zum Besten.
Im ersten Konzert f-Moll für Klarinette und Orchester von Carl Maria von Weber meint man – gleich beim ersten Akkord – eine Frauenstimme mit samtigem Timbre zu vernehmen. Im Adagio strömt die Kantilene wie eine Arie einer romantischen Oper. Kein Wunder, denn von Weber komponierte erst nach diesem Opus seinen berühmten „Freischütz“. Vorboten der Schauerromantik vernimmt man, wenn Sabine Meyer in diesem feierlich zelebrierten langsamen Satz ihr die Gesangs-Melodie von unten aufbaut und fließen lässt. Doch in Schönheit sterben, das genügt einer modernen Solistin wie Meyer – international auch als feinfühlige Kammermusikerin und Jazz-Spezialistin gerühmt - nicht.
Mit ihrem Ehemann bildet sie ein gut eingespieltes Duo
So jagt sie mit Angriffslust und ansteckender Spielfreude rasant durch das Rondo in allen Lagen und Registern. Und scheut nicht vor grellen, extrem hohen Spitzentönen zurück. Hier ist eine Interpretin am Werk, die Webers Partitur zwar genau kennt. Dennoch legt sie Tempo, Dynamik, Farben und Tonhöhen recht freizügig aus. Und findet im Potsdamer Orchester unter Antonello Manacorda ein schmiegsames Pendant, das auf Sabine Meyers Kapricen sofort reagiert.
Im zweiten Konzertstück – für Klarinette und Bassetthorn von Felix Mendelssohn-Bartholdy- tritt Meyer zusammen mit Ehemann Reiner Wehle (von Hause auch Klarinettist) aufs Podium. Sie erweisen sich als gut eingespieltes Duo, das in flackernden Klarinetten-Höhen und wohligen Bassetthorn-Tiefen zu einer unangestrengten Harmonie findet. Ebenfalls Wehle versteht sich auf Gesangslinien; so erscheint dieses Duo beinah wie ein Duett von Sopran und Bariton.
Einen romantischen und agilen Sound bietet auch das Potsdamer Orchester, das (neben Mendelssohn-Bartholdys „Schottischer“ Symphonie) besonders mit Wagners „Siegfried-Idyll“ das Publikum verzauberte. In dieser symphonischen Dichtung, in der Wagner Motive aus dem dritten Teil seines „Ring des Nibelungen“ (Siegfried) verarbeitete, setzt Manacorda auf sanft fließenden Klang. Holzbläser mit schwebender Intonation und subtil einsetzende Streicher erzeugen ein luftiges, zartes, meditatives, fast andächtiges Schwelgen. Ein Beweis dafür, dass Wagner nicht immer laut klingen muss.