Skulptur Ein Bettgestell für die alte Großmutter

Düsseldorf · Ein stählernes Bettgestell steht an der Hofgartenrampe.  Wer über die Oberkasseler Brücke radelt oder geht, sieht die Metallstäbe aus dem Boden ragen.  Immer wieder laufen Fußgänger durchs Gras, um dieses merkwürdige Opus genauer in Augenschein zu nehmen.

 Die Skulptur von Sandro Antal an der Kunstakademie.

Die Skulptur von Sandro Antal an der Kunstakademie.

Foto: Zanin, Melanie (MZ)

Aber sie können sich keinen Reim daraus machen. Das Ding wirkt absurd, mitten auf dem Rasen. Soll es die Kunstakademie verhohepipeln, die hinter diesem Bett auftaucht? Wir gingen der Frage nach, was es mit „Großmutter Erde“, so der Titel der Skulptur von Sandro Antal, auf sich hat.

Der Künstler aus Budapest, Jahrgang 1943, machte 1962/63 auf sich aufmerksam, als er Junior-Landesmeister im Boxen wurde. 1972 kam er nach Deutschland, 1974 nach Düsseldorf. Ende der 70er Jahre trainierte er mit Hanteln, belegte einen Schweißerlehrgang an der Kunstakademie, machte zugleich eine Schlosserlehre und wurde Geselle. Härte, Kraft und Standfestigkeit sind typisch für den Meisterschüler von Klaus Rinke. Das Bettgestell aus verzinktem Stahl ist Marke Eigenbau.

Im Jubiläumsjahr der Landeshauptstadt Düsseldorf, 1988, war er Lehrbeauftragter für Metallbildhauerei an der Universität- Gesamthochschule Essen, als er über den Bildhauer-Kollegen Peter Schwickerath den Auftrag für die Teilnahme an dem Projekt „Skulptur D – 88“ erhielt. Sein Werk an der Fritz-Roeber-Straße galt als „ausgezeichneter Beitrag zur 700-Jahr-Feier der Stadt“. Der damalige Oberbürgermeister Klaus Bungert freute sich, „wie Plastiken in das urbane Umfeld eingefügt werden“. 40 Künstler machten mit. Die meisten Werke am 1,5 Kilometer langen Skulpturenweg sind längst verschwunden, verschrottet oder auf dem Müll gelandet, wie die Installation aus unstabilem Kunststoff von Irmin Kamp oder die herausragende kinetische Spiegelplastik von Christian Megert, die dem Ansturm der Besucher nicht standhielt. „Großmutter Erde“ aber blieb. Das Werk scheint sich in den letzten 32 Jahren ein wenig ins Erdreich zu schieben, weil der Boden eine zu labile Tragfläche für das Gestell ist.

Aber was hat sich der Künstler dabei gedacht? Er erzählt: „Meine Großmutter großmütterlicherseits war eine Kleinbäuerin in Ungarn. Sie hatte in ihrem ganzen Leben nur ein einziges Bett, in dem ich als Kind auch manchmal geschlafen habe, meist in den Ferien. Das Bett war ähnlich proportioniert wie das an der Brückenrampe. Als ich das Bett der Großmutter das letzte Mal sah, hatte es die Spuren der Zeit, fast schon von einem ganzen Jahrhundert. So kam mir  die Idee für die Arbeit in Düsseldorf.“

Wenn man Sandro Antal so reden hört, hat man den Eindruck, er wolle seiner Großmutter ein Denkmal setzen. Er beschreibt sie voller Sympathie: „Sie hatte eine Farbe wie Erde. Sie war immer barfuß. Ihre Füße und Hände waren den ganzen Tag in der Erde. Sie war fast schon wie die Erde selbst. So kam die Verbindung zu ‚Großmutter Erde‘.“

Das Schaffen von Antal ist
voller Zeichen von Sybolikf

Eine private Geschichte also als Ausgangspunkt der Arbeit. Dennoch ein Werk voller Symbolik, denn im Bett liegt in heutiger Zeit Anfang und Ende des Menschen. Er kommt dort zur Welt, und er stirbt in der Regel auch dort. Gleichzeitig verweist er auf die Erde, aus der alles Leben kommt. „Die Erde ist etwas Lebendiges, Existenzielles. Wir leben auf der Erde,“ sagt er. Aber die Erde ist es auch, in der der Mensch am Ende seiner Tage begraben wird. „Tod und Leben bilden eine Einheit“, sagt er.

Nun ist die Erde längst mit einer Grasnarbe bewachsen. Im Mai sprießt das grüne Gras  und bedeckt den Hügel, in der Umgebung wachsen Gänseblümchen. Der Hügel über dem Bettgestell war 1988 etwas höher als heute. Mit der Zeit ist Sandro Antals Werk abgesackt. Es wird sich immer mehr senken und möglicherweise eines Tages in der Erde verschwinden.

Der 76-Jährige ist in Düsseldorf sehr präsent. So steht auf dem Metro-Campus in der Nähe der Grafenberger Allee, zwischen Schlüter- und Metrostraße, „Rolling Sun“, „Rollende Sonne“ also. Eine hellrote Metallscheibe in Kunstharzlack von 1990, die im Tageslicht glüht. Sie gehört der Metro-Stiftung. Die spricht in ihrer Stiftungserklärung von einem „öffentlichen Museum“. Man kann nur hoffen, dass der Grund und Boden in bester Lage von Grafenberg nicht verkauft wird.

Der Bildhauer machte nicht nur durch seine Kunst Schlagzeilen, sondern auch durch seine schweren Verbrennungen bei einer Benzin-Explosion in seinem Atelier im August 2006. Damals wäre er beinahe unter die Erde gekommen. Doch er kam durch und arbeitet jetzt wieder. „Ich habe mein Leben im Griff“, sagt er. Im letzten Jahr hatte er eine schöne Ausstellung im Skulpturengarten in Willich, Stadtteil Neersen, und konnte auch die  Skulptur „Die lange Bank, mit der ruhigen Kugel“ verkaufen, wobei das Ende einer Bank eine große Kugel bildet.

Und wenn denn eines Tages der Kunstpalast seinen Museumsflügel wieder eröffnet, ist auch seine „Concerto grosso“ von 1995 wieder zu sehen. Es ist ein großer Gong aus der Gruppe „Heavy Metal Instruments“, der 2006 angekauft wurde.