Schauspielhaus: Kellys „Waisen“ feiern Premiere

Nach „Liebe und Geld“ wird wieder ein Stück des Londoners in Düsseldorf aufgeführt.

Düsseldorf. Ein Candlelight-Dinner in einem beliebigen Vorort. Ein Pärchen, glücklich, verliebt, das selbst beim Essen die Finger nicht voneinander lassen kann. In die erotisch aufgeladene Szene platzt Helens Bruder Liam hinein, blutverschmiert und wirr. Quälend lange dauert es, bis die entscheidende Frage gestellt wird. „Von wem ist dieses Blut, Liam?“ Schnell wird klar, was Dennis Kellys „Waisen“, das in der Inszenierung von Michael Talke am Samstag im Schauspielhaus Premiere feierte, sein soll. Ein Psychothriller auf Theaterboden.

Das Blut stammt von einem namenlosen Opfer, das der Bruder angeblich auf der Straße gefunden haben will. Doch Liam verstrickt sich in Widersprüche. Helen und Danny, ihr Mann, ahnen, dass Liam mehr mit der Sache zu tun hat, als er zugibt. Die Zuschauer werden als Zeugen dieses Bewusstwerdungsprozesses gleichsam mit auf die Folter gespannt.

Hin und hergerissen zwischen dem Wunsch, die Wahrheit zu erfahren und der Hoffnung, dass der vorbestrafte Liam doch nichts mit der Gewalttat zu tun hat, streifen Helen und Danny Stück für Stück die dünne Haut der Zivilisiertheit ab. Denn das Opfer könnte noch Leben, doch um ihm zu helfen, müsste man den gestrauchelten Bruder an die Justiz preisgeben.

Besonders Helen, die sich nach dem frühen Tod der Eltern für Liam verantwortlich fühlt, will das familiäre Band nicht abreißen lassen. Für Danny dagegen stellt sich die Frage, was ihm wichtiger ist: Familie oder menschliche Integrität? Doch wie er sich auch entscheidet, der Abwärtstrend ist bereits eingeleitet.

Das karge Bühnenbild, nur aus einem Tisch und ein paar Stühlen bestehend, wird der Stimmung des Stücks voll gerecht. Schauspielerin Janina Sachau spielt die Helen impulsiv und kindlich. Die bis hin zu den unterdrückten Gefühlen „very british“ angelegte Rolle des Danny spielt Matthias Fuhrmeister überzeugend und konventionell, allein Denis Geyersbach als soziopathischer Gewalttäter Liam erregt mehr Mitleid als Furcht.

Dass das Stück dennoch nicht allzu spannend geraten ist, liegt an seiner Vorhersehbarkeit. Zu früh wird dem Zuschauer klar, dass das Undenkbare hier gedacht werden wird, soll die Geschichte konsequent zu Ende erzählt werden. Das Stück geht dennoch unter die Haut. Der Applaus jedenfalls setzte zwar erst spärlich ein, um daraufhin aber umso nachhaltiger anzudauern.