Premiere Düsseldorfer Schauspielhaus - Eva und Adam sind ganz viele

Düsseldorf · Das Stück der Bürgerbühne im Central zeigt, wie vielfältig und kompliziert die Geschlechterrollen heute sind.

Joshua Lübke und Antonia Eggeling, mit Apfel.

Joshua Lübke und Antonia Eggeling, mit Apfel.

Foto: Sandra Then

Seit im Oktober 2017 unter dem Begriff #MeToo Frauen auf der ganzen Welt ihre Erfahrungen mit Belästigungen durch Männer teilen, hat die Debatte über das Verhältnis zwischen Frauen und Männern eine neue Dimension erreicht. Es scheint klarer denn je: Es muss sich etwas ändern. Doch was eigentlich?

Durch Jahrzehnte der Emanzipation wurden in vielen Bereichen des Lebens große Fortschritte gemacht. In Zeiten von #MeToo wird jedoch deutlich, dass Gleichstellung und das Zuschreiben von Rechten nicht automatisch auch für Fortschritt in den Köpfen der Menschen sorgen. Dieser Wandel muss auf gesellschaftlicher Ebene stattfinden. Trotzdem zeichnet die Debatte der vergangenen Monate über Vergewaltigungsvorwürfe und Belästigungen gegenüber Frauen ein offenbar zu einseitiges Bild von Opfern und Tätern, anstatt von einer Gesellschaft, in der einige Werte noch nicht bei jedem Mitglied angekommen sind.

Das neuste Theaterstück der Bürgerbühne des Schauspielhauses bietet nun eine Bestandsaufnahme zu den Geschlechterrollen, die vielleicht noch nie so kompliziert waren, wie sie es heute sind. In „Eva und Adam“ stellen 13 Düsseldorferinnen und Düsseldorfer die entscheidenden Fragen. Das besondere dabei ist, dass hier jeder zu Wort kommt. Während die Debatte in Kolumnen und Talkshows meist von anklagenden Frauen und angeklagten Männern handelt, geht es auf der Bürgerbühne um das Individuum, das in dieser nach Veränderung schreienden Zeit oft nicht mehr weiß, welche Rolle er oder sie jetzt eigentlich zu erfüllen hat.

In drei Saunagängen werden die Rollenbilder genauso hinterfragt wie die Anzahl der Geschlechter oder wann ein Mann eigentlich ein Mann ist. Wie Frauen und Männer über diese Themen sprechen, wenn sie unter sich sind, ist dabei witzig und treffend präsentiert. Womöglich ist das Zentrum der Debatte doch nicht bloß der Umgang zwischen Männern und Frauen, denn auch wenn kein Mann anwesend ist, machen Frauen es sich gegenseitig nicht immer leicht. So muss die frisch Verlobte Eva in der Damensauna ihr Bedürfnis nach Ehe und Kindern gegenüber dem Unverständnis vermeintlich emanzipierter Frauen verteidigen. Ihr Zukünftiger Christian sieht sich derweil in der Herrensauna den Warnungen über die Ehe, „das moderne Gefängnis des Mannes“, ausgesetzt. Jedoch hinterfragt das Stück nicht nur die Erwartungen an Männer und Frauen, sondern auch die Erwartung, sich überhaupt in einem binären Rollenverständnis zu positionieren, wie die Rolle des Tan Hao Chi verdeutlicht, einem androgynen Asiaten, der sich sowohl in der Damen- als auch in der Herrensauna wohl fühlt.

Doch wer nicht konsequent eine der beiden Geschlechterrollen ausführt, muss mit Anfeindungen leben, sich ständig erklären oder rechtfertigen. Die Vielfalt der Stimmen in „Eva und Adam“ verdeutlicht, dass es längst nicht mehr nur um Frauen geht, die sich von Männern unrecht behandelt fühlen. Vielmehr geht es um den Menschen, der als Mensch wahrgenommen werden will. Und dieses Bedürfnis haben schließlich nicht nur Frauen. Auch Männer fühlen sich in ihrer Rolle zuweilen unsicher. Missbrauch und Belästigung betreffen in der Realität potenziell jeden. Und wer auf den ersten Blick weder als Mann noch als Frau zu erkennen ist, hat es besonders schwer. Inzwischen ist klar, die Täter sind nicht immer Männer und die Opfer sind nicht immer Frauen.

Eine Debatte, die sich nur mit diesen beiden Rollen befasst, ist nicht zielführend genug. Auf der Bürgerbühne hört man deshalb eine Vielfalt an Stimmen, die jeweils eine ganz eigene Sicht aufzeigen. Dramaturgin Julia Hendes und Regisseur Christof Seeger-Zurmühlen erwecken mit „Eva und Adam“ die Hoffnung, dass die gesellschaftliche Debatte über Mann und Frau doch noch eine Richtung einschlagen könnte, die tatsächlich dem Zusammenleben aller Menschen dient, anstatt nach Schuld und Schuldigern zu suchen. Ein Stück, das den Horizont erweitert.

Nächste Vorstellungen: Sonntag, 14.Oktober. um 18.30 Uhr, Donnerstag, 25.Oktober. um 20 Uhr, Freitag, 2.November, um 20 Uhr im Central, Worringer Straße 140.