Schauspielhaus: „Spiel nicht den Hamlet, Junge“
Der neue Intendant Staffan Holm inszeniert sein erstes Stück in Düsseldorf. Allzu kopflastig führt er vor, was Theater will.
Düsseldorf. „Shakespeare, das ist Blut, Sex und Sprache.“ Mit starken Worten hat der neue Generalintendant Staffan Holm seinen „Hamlet“ angekündigt. Eine Inszenierung sollte es werden, die selbstbewusst genug ist, um den Beginn der Ära des Schweden in Düsseldorf zu markieren und das für knapp 13 Millionen Euro sanierte Große Haus wiederzueröffnen, und den Vergleich mit dem „Hamlet“ seines großen Vorgängers Gustaf Gründgens nicht scheuen wollte.
Drei dicke Wände aus Gold bilden die Kulisse, in der Holms Dänenprinz den Mord an seinem Vater rächen will. Blut fließt keins, über Sex wird nur geredet, immerhin die Sprache in der Neuübersetzung von Werner Buhss ist überzeugend modern.
In eleganten, minimalistischen Bildern erscheinen schwarz gekleidete Menschen — unfähig zu lieben und unfähig auszubrechen. Die Wände sind hoch, Türen gibt es nicht. Rebellion, das ist für Hamlet (Aleksandar Radenkovi) und Ophelia (Lea Draeger), wenn sie sich zu 70er Jahre Punkmusik der dänischen Band Sort Sol wie auf einer Kreisbahn bewegen und dazu die Hände spreizen. Bei jedem Schritt. Immer nur ein bisschen. „Let your fingers do the walking“, heißt der Song. Das ist zart, das berührt. Tritt jemand auf, ist es mit dem Hauch von Ausbruch aber gleich wieder vorbei.
„Ich bin ein dummer, wabbelweicher Schurke, und ich sage nichts“, charakterisiert sich Hamlet. Er ist ein abhängiger Sohn, der seine Rolle nicht findet und sich dafür schämt. Dieser Druck und diese Last liegen auf jeder Geste des hervorragenden Radenkovi. Erst das Schauspiel ermöglicht seinem Hamlet, sich auszudrücken.
Für starke Auftritte sorgen Claudius (Rainer Bock) und Gertrud (Imogen Kogge). Scharf, aber gekonnt an der Parodie vorbei techtelt der neue König und Brudermörder mit seiner Königin, die mit Handtasche und Betonfrisur durchaus Queen-Qualitäten hat.
Wenn er ihr linkisch an die Wäsche geht, bringt das Bewegung ins statische Spiel und hat genau die peinliche Note, für die Hamlet das betagte Liebespaar verachtet. Doch ihr Handlungsradius ist begrenzt, wenig Raum bleibt für sinnliches Erleben.
Shakespeare-Experte Holm verbindet an diesem Abend ein Familiendrama und großartige Schauspieler mit einem kopflastigen Konzept und einem plakativen Bekenntnis zu Düsseldorf.
Als Clou ist gedacht, wie Holm ein Schauspiel im Schauspiel inszeniert, das den Mörder überführen soll. Hier verlässt Marianne Hoika ihre Rolle als Rosenkranz und ist sie selbst. „42 Jahre habe ich hier gestanden und Monologe gehalten“, sagt die Schauspielerin, die seit 1969 zum Düsseldorfer Ensemble gehört. Zu dieser kleinen Welt, die sie so liebt, wie sie sagt.
Und diese kleine Welt sei dafür da, die große Welt hinter den dicken Wänden zu reflektieren, damit diese sich besser verstehe. Danke für die Belehrung.
Zum Glück bekommt das Ganze eine absurde Note, wenn Imogen Kogge „Aleksandar“ kurz darauf anfährt: „Spiel nicht den Hamlet, Junge!“ Chaos droht. Wer ist wer, und wer spielt wen?
Leider hält dieser Aufruhr, der Dynamik bringt, nicht an. Nach der Pause nimmt das Drama den bekannten tödlichen Lauf — ohne weitere Irritationen. Das Premierenpublikum gab sich wohlwollend, euphorische Begeisterung sieht indes anders aus.