Symphoniker: Die Zeichen stehen auf Streik
Die Deutsche Orchestervereinigung hat alle Mitglieder zum Protest aufgerufen.
Düsseldorf. Bundesweit wehren sich Orchestermusiker gegen Verschlechterungen ihrer Arbeitsbedingungen. Es gab 200 Aktionen in 80Städten. Im Oktober stimmten auch die Düsseldorfer Symphoniker in die Proteste ein und beteiligten sich an Warnstreikaktionen (durch die sich etwa am 11.Oktober die Premiere "Die Frau ohne Schatten" um eine halbe Stunde verzögerte).
Die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) hat alle Orchester, für die der Tarifvertrag für Musiker in Kulturorchestern (TVK) gilt, wieder zu Protestaktionen aufgerufen. Seit einigen Tagen informieren die Symphoniker das Publikum vor den Vorstellungen mit Handzetteln darüber, dass Vollstreiks künftig möglich sind.
"Die Arbeitgeber fordern von den Musikern erhebliche Zugeständnisse in verschiedenen Bereichen ihres Tarifvertrages", sagt Manfred Hoth, DOV-Delegierter der Düsseldorfer Symphoniker. Das betrifft etwa längere Arbeitszeiten und höhere Flexibilität. In den seit 2004 laufenden Verhandlungen habe man sich mehreren Anpassungen nicht verweigert.
Doch der zur Debatte stehenden Vergütungs-Abkopplung vom Öffentlichen Dienst wollen die Orchester nun entschieden entgegentreten. "Nach wie vor wird uns die Vergütungsanpassung, die Verdi für den TVöD im Frühjahr ausgehandelt hat, verweigert, obwohl unser noch geltender Tarifvertrag dies vorsieht", sagt Hoth. "Uns bleibt als letztes legitimes Mittel der Vollstreik mit Ausfällen von Opernvorstellungen und Konzerten."
Während dies in anderen Ländern (Mailänder Scala und mehrere Orchester in den USA) nichts Ungewöhnliches sei, wäre dies in der deutschen Orchesterlandschaft das erste Mal seit den 1950er Jahren. "Wir wissen, dass wir die Falschen treffen, wenn wir eine Vorstellung ausfallen lassen", räumt Hoth ein. Wenn aber aufgrund eines geänderten Tarifvertrages im Orchester eine Zwei-Klassengesellschaft entstehe, müsse dagegen mit gewerkschaftlichen Mitteln gekämpft werden.
Die Arbeitgeberseite wird vom Deutschen Bühnenverein vertreten. Dort sieht man die Sache etwas anders. "Niemand will die Abkopplung der Orchester vom öffentlichen Dienst", sagt Rolf Bolwin, Geschäftsführender Direktor des Deutschen Bühnenvereins im Gespräch mit der WZ.
Es habe sehr wohl Lohnerhöhungen gegeben, wenn auch mit Abstrichen an anderer Stelle, etwa beim 13. Monatsgehalt. "Die Gewerkschaft will leider nicht verhandeln, sondern ihre Forderungen vor Gericht einklagen", bedauert Bolwin.
Dass neue Orchestermitglieder unter etwas anderen Rahmenbedingungen arbeiten müssten als die älteren, begründet Bolwin damit, dass die alten Tarifverträge unzeitgemäß seien. "Die Arbeitszeit muss flexibler werden", betont Bolwin.
Die Auffassung, dass die Musiker zu viele Dienste absolvieren müssten und die heimische Vorbereitungszeit zu wenig berücksichtigt werde, teilt er nicht. "24 Stunden pro Woche entfallen auf die Dienste. Da ist die Zeit, in der zu Hause am Instrument geübt werden muss, ausreichend eingerechnet."
Orchestermusiker haben keinen leichten Job. Zu verschiedenen Tages-und Abendzeiten müssen sie zu Diensten antreten und außerdem auch zuHause auf ihrem Instrument üben. Ihnen gebührt gewiss eine angemesseneVergütung mit regelmäßigen Lohnerhöhungen. Doch darf man dabei nichtübersehen, dass auf dem Arbeitsmarkt allgemein ein zunehmend rauer Windweht.
In fast allen Branchen muss mehr gearbeitet werden, und Abstrichebei der Vergütung haben vor allem Jüngere hinzunehmen. In Anbetrachtder Globalisierung stehen Unternehmen immer stärker unter Druck, undauch öffentliche Institutionen sind von der Krise nicht ausgenommen.
Dass nun Orchester in Mitleidenschaft geraten sind, sollte dahernicht verwundern. Streiks und juristische Schritte sind zwar legitimeMittel, sich zur Wehr zu setzen, doch wird man mit Verhandlungen weiterkommen - vorausgesetzt beide Seiten sind zu fairen Kompromissen bereit.