Ballett-Projekt „Leichter getan(zt) als gesagt“ „Tanz mit!“ zeigt neues Projekt
Düsseldorf · Das neue interaktive und choreografische Projekt von „Tanz mit!“ des Düsseldorfer Rheinopern-Balletts in Garath lässt das Publikum mitwirken.
Eigentlich sind wir alle hier Mitwirkende, auch ich. Der Versuch, das neue Projekt von „Tanz mit!“ zu beschreiben, ist dann trotzdem schwierig. Besser wäre fast ein Vortanzen.
Der Titel „Leichter getan(zt) als gesagt“ beschreibt das interaktive Projekt des Ballett am Rhein von Michael Foster jedenfalls perfekt. Es geht darum, dass Körpersprache nicht so leicht in gesprochene Sprache übersetzt werden kann und dass alle Tanz anders beschreiben. Man könnte das Projekt mit dem Kinderspielklassiker „Stille Post“ vergleichen. Tatsächlich ist es aber viel mehr als das.
Als ich die transportable Spielstätte, das „Ufo – Junge Oper Urban“ vor dem Anne-Frank-Haus in Garath, betrete, bin ich doch überrascht, wie überschaubar es ist. 20 Gäste finden darin Platz, hatte Pressesprecherin Monika Doll mir zuvor gesagt und damit nicht untertrieben. Nun sind es 17 Neugierige, die zusammen mit mir auf den kleinen rot-blauen Höckerchen sitzen.
Unklar, ob Bewegungen
schon Teil der Aufführung sind
Auf der Bühne, die die Hälfte des runden Raumes umfasst, machen sich die beiden Tänzer Philip Handschin und Rashaen Arts warm. Sie dehnen sich, strecken die Arme und lassen die Füße kreisen. Getrennt sind die beiden schwarz gekleideten Tänzer durch eine Wand. Irgendwann begann die Musik, wurde es dunkler im Raum, und ich war mir nicht mehr sicher, ob die fließenden Bewegungen nun noch zur Vorbereitung oder längst zur Aufführung gehören. Die Nähe zu den beiden Tänzern und den übrigen Zuschauern erzeugt eine ungewohnte Intimität. Als Choreograf Michael Foster die Bewegungen zu beschreiben beginnt, passt das so harmonisch in die Vorführung, dass ich weder verwundert noch überrascht bin: „Streck die Arme.“ „Berühre die Wand.“ „Schwimmen.“
Nach dieser Eingangssession sind wir, das Publikum, an der Reihe. Nacheinander sollen wir nach vorn kommen und den beiden Tänzern Impulse geben. Die Ersten stehen noch zögerlich auf und geben Anweisungen wie: „Lasst die Arme kreisen“ oder „Verlagert das Gewicht von Bein zu Bein“. Dann werden die Zuschauer um mich herum selbstbewusster und auch kreativer: „Seid verliebt.“ „Habt Sehnsucht.“ „Die Liebe wird nicht erwidert.“
Schnell entstehen kleine Geschichten, die die Tänzer individuell umsetzen. Als eine junge Frau sagt: „Es kommt ein großer Mensch, der doppelt so groß ist wie ihr selbst“, duckt sich Philip Handschin auf der linken Seite und macht sich klein, während Rashaen Arts sich aufrichtet, tief einatmet und mit vor der Brust verschränkten Armen selbstbewusst nach oben schaut. Das Publikum lacht und klatscht. Diese Reaktion hat sich Michael Foster erhofft: „Ich wollte nicht, dass es zu schwer oder pädagogisch wird.“
Im nächsten „Spiel“ wird mir zum ersten Mal bewusst, wie unterschiedlich wir Tanzbewegungen wahrnehmen. Foster tanzt nun selbst, und das Publikum soll seine Bewegungen laut beschreiben. Ein paar Mal spüre ich den Impuls, den Erläuterungen der anderen zu widersprechen. Aber natürlich gibt es hier kein Richtig und kein Falsch. Foster will uns nur vorführen, wie individuell unsere Interpretationen sind. „Alles, was ihr seht, ist richtig“, sagt er.
Schließlich kommt es zur bereits angekündigten „Stillen Post“. Ich gehe nach vorn und flüstere Rashaen Arts ins Ohr, er soll tanzen, als laufe er auf einem Pudding. „Pudding?“, fragt der Tänzer nach. „Ja, Pudding!“, sage ich. Dann legt er los, und ich bin überrascht, denn was ich sehe, würde ich eher als eine Art Seiltanz interpretieren. Die Beine des Tänzers zittern, und mit den Armen rudert er, als habe er Gleichgewichtsprobleme.
Eine andere Zuschauerin, die Rashaen Arts‘ Bewegungen laut für alle zu beschreiben soll, erklärt wiederum: „Er tritt in Scherben, überall sind Scherben.“ Wie Philip Handschin diese Beschreibungen umsetzt, kann ich von meinem Platz aus nur erahnen. Doch dieser Moment reicht schon aus, damit ich begreife, wie unterschiedlich tänzerische Bewegungen interpretiert und durch Worte beschrieben werden können. Die Idee zu dem Projekt kam Tänzer Michael Foster nach einem Workshop an der Palucca Hochschule für Tanz Dresden. „Das Projekt hat sich durch den Austausch mit den Tänzern entwickelt. Mit anderen Tänzern hätte sich sicherlich etwas anderes entwickelt“, betont er.