Theater: Sinnhaftes, Trash und Pennäler-Ulk
Helene Hegemann zeigt im FFT ihr Bühnenstück „Lyrics“.
Düsseldorf. Eigentlich wollte sie gar kein Theaterstück schreiben. Doch ihre Freunde aus dem Ruhrgebiet hatten nach dem Abitur nichts zu tun. Und da kam Helene Hegemann (19) die Idee, mit ihnen etwas für die Bühne zu komponieren.
In der „bewährten“ Montage-Technik, mit der sie 2010 eine bundesweite Feuilleton-Debatte über Plagiate aus dem Internet auslöste. Originalität ist für die Schul-Abbrecherin ein Fremdwort. In ähnlicher Manier, in der das schnoddrige Skandal-Girlie als 17-Jährige ihren Debüt-Roman „Axolotl Roadkill“ verfasste, ging sie im Stück „Lyrics“ vor.
Die Dramaturgen-Tochter Hegemann und die Kamerafrau Kathrin Krottenthaler, die einst für Christoph Schlingensief arbeitete, montieren Filme, Video-Installationen, Pop, Punk und Rock-Musik mit Theaterszene — frei erfunden, gefilmt auf der Straße. Alles gipfelt im Finale von Shakespeares „Hamlet“. Ophelia tot, Mutter und Vater tot, Hamlet tot, der Rest ist Schweigen . . .
Letztere Tableaus und hektische Straßen-Szenen erinnern eher an Schultheater und Dokustreifen eines Literaturkurses in der Schulaula — zumal bei der Uraufführung im Forum Freies Theater (Kammerspiele, Jahnstraße). Die Laien-Mimen verbreiten in knapp 80 Minuten keine weltbewegenden Weisheiten, bieten aber auf den Brettern und in verqueren Filmwelten in Maßen Unterhaltsames. Das Parkett: voll besetzt mit Publikum um die 20. Sie lieben rasende Streifen- und Pixelbilder und die rotzige Gossen-Sprache, in der Theater im Theater gespielt wird.
Eine Frau stampft auf den Boden, schreit und schnauzt ihren Partner an. Ein Dritter nimmt sie in die Mangel. „Scheiße!“, brüllen sie. Tür zu! Abgang. Noch mal das Ganze. In diese Probenszene mischt sich plötzlich Hegemann als Mitspielerin ein.
Mit qualmender Zigarette, Janker und breitbeinigem Wichtigtun karikiert die Autorin die Regisseure, die sie als Mädchen in der Theaterkantine der Berliner Volksbühne beobachtet hat. Die zurechtgewiesene Darstellerin empfindet bei der Szenen-Wiederholung nichts, schreit aber auf Hegemanns Zuruf umso lauter und rabiater: „Schauspieler wollen nichts bewirken, sondern machen alles, was der Regisseur ihnen diktiert.“
Komik mischt Hegemann mit Melancholie, Gesellschaftskritik und Identitätssuche. So auch in den Filmszenen, die spontan wirken — als ob sie ein Laie mit dem Camcorder aufgenommen hätte. Sie switcht und zappt zwischen Kanälen und Epochen, mal rudern ihre Figuren durch die 70er, dann durch unsere Zeit. All das angereichert mit Pop, Punk, Hip-Hop und aparten Videobildern. Fazit: Ein grelles Konvolut aus Trash, Pennäler-Ulk und manchmal tieferer Bedeutung.