Nachruf Ingolf Timpner Künstler hat sich sein Leben lang aufs Sterben vorbereitet

Düsseldorf · Ingolf Timpner, als Fotokünstler Autodidakt, hat den Tod wie selbstverständlich in sein Werk aufgenommen. Ein Nachruf.

Zwischen weißen Blüten fast schon versteckt ragt der Totenkopf hervor. Dieses Bild von 2001 zeigt eines der typischen Motive von Ingolf Timpner, der sich ein Leben lang mit dem Tod auseinandergesetzt hat.

Foto: Nachlass Ingolf Timpner/Ingolf Timpner

Der Fotokünstler Ingolf Timpner ist mit 55 Jahren tot umgefallen. Wer ihn gekannt hat, weiß, dass der Tod für ihn kein Schreckgespenst war. Das frühe Sterben passte zu seinem Werk, wie seine Witwe meint. Ihr sei seit zwei Jahren klar gewesen, dass ihr Mann kein langes Leben haben werde. Es sei ein inneres Wissen gewesen, kein medizinisches Wissen. Schon vor fünf Jahren nannte er sich während einer Ausstellung in der Galerie Bugdahn und Kaimer einen Melancholiker. Die Endzeitstimmung lag stets über seinen Schwarzweiß-Abzügen.

So einer wie er machte keine Schnappschüsse. Er benutzte altmodische analoge Kameras und entwickelte die Aufnahmen umständlich in der Dunkelkammer. Ein formales Kennzeichen seiner Bilder war die Entwicklung der Silber-Gelatine-Prints mit einem Naturschwamm. Damit machte er den chemischen Prozess der Fotografie sichtbar. Jeder Handabzug war ein Unikat. Aber wie mit einem Trauerrand umgeben, so wirkte das Bild.

Im Monat November, wo die traurigen Tage aufeinander folgen, ist die Frage erlaubt, wieso ein Mensch sein Leben dem Tod und der Endlichkeit widmet? Eine seiner letzten Werkgruppen war der Holbein-Zyklus mit den 49 Blättern zum Totentanz. Wie selbstverständlich tritt da der Knochenmann mitten ins Leben ein. 49 Blätter hat Holbeins Nachfahre nicht mehr geschafft Es wurden nur 14 Blätter. Eines davon schenkte er zu Lebzeiten seiner Frau zum Geburtstag.

Politische Themen waren nicht seine Sache. Die Gesellschaft interessierte ihn nicht. Die Titel seiner Ausstellungen waren von weit her geholt, nannten sich „Wahlverwandtschaften“, galten der „Asservatenkammer“, den „Lichtgestalten“. Er setzte sich mit den Skulpturen des Klassizisten Christian Daniel Rauch auseinander und steckte die Skulpturen der preußischen Prinzessinnen oder des Gelehrten Alexander von Humboldt in Stoff oder Pelz, als sollte der Tod überwunden werden.

Tümpner war kein religiöser Mensch, der das Heil in der Auferstehung suchte. Zen-Meditation, der Versuch der Grenzüberwindung: Das waren für ihn Methoden, um die Zeitlosigkeit zu erlangen.

Als Fotograf nannte er sich gern einen Autodidakten. Die Schwarzweiß-Fotografie unterrichtet in der Tat kaum noch jemand. Wie die Vanitas-Maler unter den Niederländern setzte er sich weiterhin mit morbiden Inhalten auseinander, suchte den Übergang zwischen Entstehen, Blühen und Vergehen. Tod und Leben sollten stets eine harmonische Verbindung eingehen.

Während die digitale Fotografie immer farbenfroher und opulenter wurde, begnügte er sich mit einem Totenschädel, einem Schafskopf, einer toten Ratte. Aber auch das Blechgeschirr konnte plötzlich mit dem Tod in Verbindung stehen.

Doch trotz dieser Licht- und Schattenwelt, der „Geheimen Gärten“, wie sich eine Ausstellung im Museum Ratingen nannte, geht es jetzt natürlich um den Nachlass, um die Aufarbeitung eines Schatzes, der fernab vom Trend lag.

Ein Nachlass-Archiv richtet seine Witwe im Andreas-Viertel ein. Dorthin gelangten schon die 62 Kartons voller Bücher, die er in seinem Atelier im vierten Stock der Kasernenstraße hortete. Vielleicht nimmt sich ja ein Düsseldorfer Museum der Dinge an, handelt es sich doch um eine besondere Fotokunst.