Der Name „Unterhaus“ kommt nicht zuletzt daher, dass sich die Bühne unten im Schauspielhaus befindet. Aber könnte es sein, dass Sie den Namen auch verwenden, um Assoziationen zu einem politischen „Unterhaus“, ähnlich in Großbritannien, wo die eigentlichen politischen Kämpfe ausgefochten werden, zu evozieren; im Gegensatz zum Oberhaus, wo es doch recht verzopft zugeht?
Interview „Dann ist man ein bisschen wie auf einer Insel“
Düsseldorf · Interview „Unterhaus“ heißt die neue – und doch schon alte – Studiobühne im Keller des Schauspielhauses, die mit einem „bunten Programm“ jenseits aller Grenzen bespielt werden soll. Dramaturgen Frederik Tidén und Corinna Möller erklären, was es mit dem Ort und dem Konzept auf sich hat.
Eigentlich ist dieses „Unterhaus“ im Schauspielhaus „nur“ eine Studiobühne; doch wer das Profil des Theaters kennt, weiß, dass man Gewöhnliches am Gründgens-Platz weniger erwarten darf. Frederik Tidén und Corinna Möller – Dramaturg und Dramaturgieassistentin – sind die Köpfe hinter dem besonderen Ort, der nun intensiver für ein vielseitiges Programm genutzt werden soll.
Frederik Tidén: Wir haben den Namen tatsächlich gar nicht erfunden, es hieß schon auch in der Vergangenheit so. Das Unterhaus war als kleine Probebühne gedacht und ist immer mal wieder auch bespielt worden. Unter der Intendanz von Günther Beelitz – dem Vorgänger von der jetzigen Leitung – fanden dort einmal im Monat Impro-Aufführungen von Schauspielern des Ensembles statt. Der Ort wurde auch schon unter der Intendanz von Amélie Niermeyer (2006 bis 2011) bespielt, und damals hieß er auch schon „Unterhaus“. Allerdings nicht derart prominent aufgezogen, wie wir das jetzt gemacht haben.
Aber Sie haben den Namen übernommen.
Corinna Möller: Den Namen zu übernehmen, war dann aber eine bewusste Entscheidung. Es ist schon etwas dran, dass diese Mehrdeutigkeit des Wortes „Unterhaus“ für uns interessant war.
Tidén: Wir haben so einen Dreiklang aus „Großes Haus“, „Kleines Haus“ und „Unterhaus“. Aber, um noch mal auf das britische Unterhaus zurückzukommen: es gibt ja kaum einen theatraleren Ort als das House of Commons – vor allem zurzeit, aber auch sonst. Natürlich hat das schon mit hineingespielt in unsere Überlegungen; es hat Charme, wenn man einen solchen Ort Unterhaus nennt. Das heißt aber nicht, dass dann das Große Haus das House of Lords ist, in dem nur Menschen in historischen Kostümen sitzen und nichts beschließen. Die Assoziation möchten wir auf keinen Fall wecken.
Um noch ein bisschen chronologisch zu bleiben, ist das Unterhaus ein Nachfolge-Ort für die Veranstaltungen, die in der Interimszeit auf der Brücke des Centrals stattfanden?
Tidén: Ja und Nein, Auf der Brücke war alles an einem Ort versammelt: Foyer, Kantine, Bar. Aber es gab die NachtCentrale, zunächst einmal die Woche und dann einmal im Monat. Alles war recht improvisiert. Im Schauspielhaus haben wir einiges investiert, um den Raum im Keller umzubauen. Das Unterhaus ist jetzt ein kleiner „Guckkasten“, ein kleines richtiges Theater.
Möller: Übrigens von unserem Ausstattungsleiter Ansgar Prüwer eingerichtet.
War das viel Aufwand?
Tidén: Es war nicht ganz so viel Aufwand, wie etwa das Bühnenbild von Dantons Tod.
Möller: Das Unterhaus war, als wir es uns das erste Mal anschauten, ein leerer schwarzer Raum, die Wände von der Inszenierung „Die Göttliche Komödie“ (Spielzeit 17/18), die sozusagen hinter den Kulissen des Schauspielhauses stattgefunden hat, noch mit Kreide beschrieben.
Tidén: Jetzt gibt es dort eine Tribüne, eine Bestuhlung, eine Lüftungsanlage, Licht und Ton, Video.
Möller: Das, was wir jetzt im Unterhaus machen, ist nicht identisch mit dem, was in der NachtCentrale gemacht wurde, weil wir jetzt ja ganz andere Möglichkeiten haben. Die Gemeinsamkeit ist, dass die Brücke bisher der einzige Ort war, an dem solche Off-Formate stattfinden konnten. Der neue Ort dafür ist nun das „Unterhaus“.
Tidén: Wir haben auch ein kleines Budget, das über das hinausgeht, was bei NachtCentrale zur Verfügung stand. Das heißt, wir können jetzt auch mal eine Band oder andere Gäste einladen.
Wie kam es überhaupt dazu, diesen Ort dort unten bespielen zu wollen, wessen Idee war das?
Tidén: Da wir sowieso große Umbauarbeiten am Haus hatten, hat man im Zuge dessen sich dazu entschieden, etwas Geld in die Hand zu nehmen, und aus dem Unterhaus eine Spielstätte zu machen. Weil es eine Art von Spielstätte ist, die uns eigentlich noch fehlt.
Möller: Die meisten großen Theater haben eine vergleichbare Spielstätte, eine Studiobühne. Es war klar, dass es das hier auch geben wird, sobald wieder die Möglichkeit besteht.
Tidén: So klein ist nämlich das Kleine Haus ja nicht. Das sind dort schon um die 300 Plätze.
Möller: Das Unterhaus hat 100 Plätze.
Wie offen sollte das Konzept des Unterhauses gestaltet werden? Das Programm sieht sehr nach einer „bunten Mischung“ aus – ist es auch ein Stereotyp, trifft es doch recht gut, was dort geboten wird.
Möller: „Das Programm ist eine bunte Mischung, weil uns viele Dinge am Herzen liegen und wir es spannend finden, ein vielseitiges Programm zu präsentieren. Und trotzdem gibt es bestimmte inhaltliche Richtungen, die wir verfolgen.
Tidén: Wir bespielen das Unterhaus jede Woche neu. Es gibt Reihen, aber es sind immer wieder neue Veranstaltungen; es gibt – bisher noch – kein Repertoire. Es gibt ein paar Sachen, die haben wir gesetzt, das war uns sehr wichtig, wie etwa die feministische Reihe „Majority Report“, in der verschiedene feministische Texte gelesen werden.
Eine kleine Zwischenfrage, da sie darauf zu sprechen kommen: Der Titel der ersten Veranstaltung der Reihe „Majority Report“ lautet „Das xenofeministische Manifest“. Erwarten Sie, dass der Titel von einer Mehrzahl der Menschen verstanden wird?
Tidén: Nein, aber deswegen sollen sie zu der Veranstaltung kommen, sodass wir ihnen das erklären können. Das wäre der Witz an der Sache. Es wäre doch ein interessanter Startpunkt mit etwas zu beginnen, das einem fremd vorkommt.
Xeno heißt „fremd“.
Tidén: Ja, es geht um Fremdheit und Entfremdung als Mittel der Emanzipation.
Möller: Es gibt sicherlich auch Menschen, die mit dem Titel schon was anfangen können, und die kommen hoffentlich auch.
Tidén: Das ist auch die Chance an so einem kleinen Ort, dass man auch Menschen ein bisschen neugierig machen kann, dass man Sachen machen kann, bei denen man nicht weiß wie viele Besucher sich dafür interessieren.
Haben Sie eine bestimmte Zielgruppe für das Unterhaus?
Möller: Wir haben eine Art erweiterte Zielgruppe, aber keine ausschließliche Zielgruppe. Wir freuen uns darüber, wenn die Menschen kommen, die ohnehin schon einen Bezug zum Schauspielhaus haben, hoffen aber natürlich auch, dass Menschen hierher finden, die sich vielleicht aus irgendwelchen Gründen bisher noch nicht angesprochen gefühlt haben.
Tidén: Wir haben einige Sachen, die eher Szene- oder Nischenpublikum ansprechen. Die wir auch besonders einbeziehen möchten.
Auch über die Schauspiel-Sphäre hinaus?
Möller: Wir machen auch Interdisziplinäres, wie zum Beispiel die Reihe „Performing/Arts“, in der die Schauspielerin Minna Wündrich immer wieder mit bildenden Künstlern aus der Stadt einen Abend gestalten wird, außerdem musikalische Abende oder Filmvorführungen. Viele Veranstaltungen entstehen auch dadurch, dass Schauspielerinnen und auch andere Kollegeninnen mit einer Idee zu uns kommen.
Wie weit voraus können und möchten Sie planen?
Tiden: Nicht allzu weit. Es wird viel Flexibilität von allen erwartet, aber so können wir auch relativ schnell auf aktuelle Ereignisse reagieren.
Wird es im Unterhaus auch Partys geben, ist es multifunktional nutzbar? Ich spiele hier auf die Performance und Party zu Halloween „Mini Horror Playback Show“ am 31. Oktober an.
Möller: Der Zuschauerraum des Unterhauses ist bestuhlt, es wäre also sehr aufwendig, den Raum kurzfristig in dem Sinne umzugestalten, dass alle Stühle herausgeräumt werden. Der Raum lädt trotzdem auch dazu ein, darin zu verweilen, sich auszutauschen.
Tidén: Man kommt durch relativ schmale Gänge nach unten. Dann ist man ein bisschen wie auf einer Insel.
Gab es planerische Hürden, beispielsweise den Brandschutz?
Tidén: Nein, aber der Raum wird nicht besonders dunkel, weil die Notausgangslichter so hell sind.