Kultur Wann ist ein Mann ein Mann?

Das neue Stück von Morgan Nardi „Menancholy“ ab heute im FFT.

Foto: Das mechanische Auge

„Männer sind so verletzlich…“ behauptete Herbert Grönemeyer 1984 in dem Ohrwurm „Männer“ auf seinem Bochum-Album. Über 30 Jahre danach gehen nicht nur Liedermacher immer noch der Frage nach „Was ist eigentlich männlich?“ Seit seiner Jugend beschäftigt dies auch Morgan Nardi. Der italienische Tänzer, Regisseur und Choreograph, der seit 21 Jahren in Düsseldorf lebt, ist auch mit 53 noch zu keinem endgültigen Urteil gelangt.

Er untersucht in vielen seiner Produktionen, wie Geschlechterrollen eingeübt und durch das Leben immer wieder auf den Kopf gestellt werden. So auch in seinem neuem Stück „Menancholy“, das heute im FFT, Jahnstraße 3, aus der Taufe gehoben wird. Die Tänzer, genauer gesagt die Performer: Lin Verleger und Manu Kpok. Der eine muskulös, sportlich. Der andere eher ein weicher Typ, nachdenklich, philosophisch.

Genau diese Kontraste auszuloten, darum geht es Nardi. Zurückhaltend, empfindsam und melancholisch — so erzählt der Mann von traumatischen Erlebnissen in seiner Jugend in der Adria-Stadt Ancona. Bereits als Neunjähriger wurde Morgan sexuell missbraucht, traute sich damals nicht, mit jemandem darüber zu reden. So beichtete Nardi den Missbrauch seiner Mutter erst, als er 35 Jahre alt war.

Als Kind flüchtete er in eine Fantasiewelt — den Tanz. Nardi zögert, wenn er formuliert und dann gesteht: „Tanz war meine Rettung vor Selbstzerstörung.“ Es sei die einzige Möglichkeit gewesen zu überleben und seine Identität zu finden. Denn der pubertierende Morgan trainierte permanent, geißelte seinen Körper.

Selbst als Heranwachsende entkam er nur knapp einer Bulimie, brachte monatelang nur knapp 52 Kilo auf die Waage. „Ich hatte keine andere Wahl“, erinnert er sich und spricht leise, nüchtern: „Selbstmord - oder ich finde meine Identität.“ Zunächst ging er in eine Ballettschule, studierte später an der Akademie in Florenz und bestand 1984 die Abschluss-Prüfung im klassischen Tanz an der Royal Academy in London. Engagements folgten in Rom, Bologna und an der Mailänder Scala.

Als er von Pina Bausch hörte, tanzte er in Wuppertal vor. Ohne Erfolg. Erst als er die Truppe Neuer Tanz von Va Wölfl und Wanda Golonka kennenlernte, landete er an der richtigen Adresse. Obwohl: „Anfangs war es ein Kulturschock für mich.“ Besonders die Art, wie Aktions- und Medienkünstler Wölfl die Neuen Medien für die Bühne nutzte, war für den einst klassischen Tänzer ein Schlüsselerlebnis. So spielen auch heute in Nardis Performances Kameras und mancherlei technisches Equipment eine Rolle.

Nach vier Jahren Neuer Tanz trat wagte er sich an eigene Stücke. Keine eigene Kompanie hat er, sondern sucht Tänzer und Performer jeweils für seine Projekte in der Freien Szene aus. In 15 Jahren brachte er immerhin 20 Produktionen heraus. Kann man davon leben? Nicht einfach sei das, sagt er in grammatisch einwandfreiem Deutsch. In seinem One-Man-Unternehmen müsse er sich auch um die Finanzierung kümmern, Anträge schreiben und seine Kreationen weltweit anbieten. Nebenbei ‚verdingt’ er sich als Gast-Choreograph für Musicals und Opern und Theater-Regisseur. Und seine Tanzschuhe? Hat er die an den Nagel gehängt und schon entsorgt? Nein, schmunzelt Nardi. „Die stehen immer bereit.“

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