Düsseldorf Kultur Max Frisch - Spiegelglattes Spiel mit dem Leben
Günther Beelitz zeigt „Biografie: Ein Spiel“ von Max Frisch in einer eleganten Scheinwelt, in der die Abgründe zu sehr aus dem Blick geraten.
Düsseldorf. „Ich habe mich an meine Schuld gewöhnt.“ Hannes Kürmann tut Vergangenes ab wie eine lästige Banalität. Ihn schert es weder, dass er einem Kind das Augenlicht mit einem Schneeball auslöschte, noch, dass seine erste Frau auf seinen sarkastischen Ratschlag hin sich aufzuhängen — tatsächlich zum Strick griff. „Das also bleibt“, stellt der Spielleiter fest. Was Verhaltensforscher Kürmann ändern will, ist etwas anderes: eine Begegnung, eine Frau, eine Kränkung.
„Biografie: Ein Spiel“ nennt Max Frisch diese Versuchsanordnung, in der sein Protagonist Kürmann — intelligent, etabliert und unglücklich — Lebensentscheidungen revidieren darf. Intendant Günther Beelitz hat dieses Spiel im Spiel als seine letzte Regiearbeit am Düsseldorfer Schauspielhaus gewählt und beweist sich im Central als routinierter Könner.
Elegant führt er die bildungsbürgerliche Lebenswelt dieses Mannes vor, in der sich die drei Personen auf einem Schachfeld wie Figuren bewegen. Ihre Züge spiegeln sich auf einer schräg gestellten Wand, die bei verändertem Licht Ereignisse im Hintergrund durchscheinen lässt (Bühne: Heinz Hauser).
Geschichten aus der Vergangenheit tauchen auf. Wie auf dem Theater lässt der Spielleiter (Dirk Diekmann) Kürmann (Andreas Grothgar) und Antoinette Stein (Katrin Hauptmann) Szenen probieren und variieren. Wie sich dieser mürrische Mann auch wendet, zwangsläufig erscheint ihm eins: Seine Beziehung mit der jungen Frau endet für ihn unglücklich — betrogen und magenkrank.
Die beiden Männer treten als Ego samt Alter Ego auf: Gleiche Kleidung, gleiche Brille, gleicher Glatzkopf. Das funktioniert gut mit dem vital wirkenden Grothgar, der die Wörter kraftvoll hervorpresst, und dem intellektuell scheinenden, schmalen Diekmann, der mit gezielten Gesten ins Geschehen eingreift. Wenn sie die Grenzen des Handelns verhandeln, dreht sich alles ums Individuum.
Soziales oder gar Gesellschaftliches erscheint nur am Rande: Ausgestattet mit ein paar Requisiten tritt die Außenwelt in Gestalt der Geliebten, des Arztes oder des kommunistischen Professoren-Kollegen ins Leben — um von Kürmann wieder davon geschickt zu werden. Dieser Mann dreht sich so lange um seine eigene Kränkung, bis ihm der Magenkrebs das Ende der eigenen Biografie vorgibt.
Welche Abgründe der maßlose Egozentrismus dieser Hauptfigur offenbart, gerät bei den Schauwerten der Inszenierung zuweilen aus dem Blick. Es hält einen gefangen den Dreien dabei zuzuschauen, wie sie sich in dieser Scheinwelt bewegen, in der Bücherschränke und Wohnzimmerpflanzen als ästhetisch ansprechend gespiegeltes Nichts erscheinen und das Handeln von vorn und aus der Perspektive von oben beobachten kann.
Schwächen zeigt dieser Abend immer dann, wenn Beelitz aufs Komödiantische setzt: Mit angeschnallten Hüften, Kopftuch und Schrubber stört die ansonsten mit feinen Nuancen überzeugende Katrin Haupt eher das Spiel, als dass sie es beleben könnte. Auch Diekmann kommt als Arzt in seiner Litanei, was der magenkranke Patient auf keinen Fall verzehren dürfe, der Knallcharge ziemlich nah. Das Premieren-Publikum zeigte sich überzeugt von diesem letzten Beelitz-Abend.