Wenn das Lachen erstickt
Simone Letto gehört zu den kreativsten Künstlern der Stadt, trotzdem muss sie von einem 400-Euro-Job leben.
Düsseldorf. Simone Letto gehört nicht zu den Malerinnen, die die Statistik der Kultur- und Kreativwirtschaft aufbessern. Die 44-Jährige ist arm, sie kann von ihren Bildern kaum leben. In ihrem Atelier ist jeder Zentimeter genau bemessen. Sie produziert keine Riesen-Schinken. Großformate entstehen bei ihr aus vielen Teilen, die sich besser verstauen lassen. Dennoch: Ihre Kunst zeigt den Reichtum in der Armut. Dass diese Bilder von herausragender Qualität sind, beweist ihre Schau in der Galerie Viktor Grray.
Ihr Milieu hinter dem Bahnhof ist von anonymen Personen bestimmt. Selbst bei einer Karnevals-Szene hat man den Eindruck, das Lachen sei erstarrt. Die Personen kehren teilweise dem Betrachter den Rücken, oder sie stieren vor sich hin. Das Ganze ist rätselhaft, verschlossen, lautlos. Von Fröhlichkeit keine Spur. Die Narren stehen mit ihren bemalten Gesichtern, als suchten sie alle nach der verlorenen Zeit in einer banalen Gegenwart.
Die Kargheit auf ihren Bildern ist identisch mit ihrem Leben. Simone Letto empfindet es nicht als peinlich, dass sie sich ein Zubrot als Tellerwäscherin in der Kantine des Finanzamts Nord verdient. Sie erhält im Monat 400 Euro und ein "gutes Mittagessen", wie sie sagt. Das sei doch okay. Ansonsten kümmert sie sich um ihre Kunst und durchstreift ihr Milieu.
Sie geht mit offenen Augen durch die Stadt, nicht durch Flingern-Nord, wo die Galerien wie Pilze aus dem Boden schießen, sondern durch den Süden des Stadtteils, wo die Öde zuweilen lähmend wirkt. Sie schaut an den Fassaden der Häuser empor, zu den einheitlichen Fenstern, die bei einbrechender Dunkelheit wie kleine Sonnen wirken. Es ist die Zeit, wenn die Anwohner von ihrer Arbeit nach Hause kommen und das Licht einschalten. Nachts sind die Häuser aschfahl.
Simone Letto liebt diese leichte Monotonie, die sie in den feinsten Nuancen festhält. Etwa wenn sie beobachtet, wie am Derendorfer Bahnhof Bauarbeiter ein Stahlgerüst aufstellen. Eine alltägliche Situation, wäre da nicht eine grüne Gaze, die ein Arbeiter über das Gerüst hängt. "Sie erinnert mich an eine phantastische Wolke", sagt Simone Letto.
Die Malerin übt keine Kritik an ihrer Situation, sie ärgert sich auch nicht über ihr Leben. Sie komponiert ihre Bilder nach einer strengen Struktur, die dem Alltag eine merkwürdige Wichtigkeit bemisst. Ein dreiteiliges Bild gilt einem Rollo vor einem Fenster, das sich langsam hebt und eine beigefarbene Hausfassade frei gibt. Sie zeigt, wie sich der Vorhang langsam lüftet und die Fassade immer heller wird.
Es wird alles seinen Weg gehen. Selbst auf ihrer Autobahn, einer Serie von 18 Bildformaten, passiert kein Zusammenstoß. Der Blick des Betrachters gleitet über leere Betonpisten. Die Motive wechseln dennoch, an den Rändern gibt es mal Häuser, Schallschutzmauern oder Felder. An derlei Dingen merken wir, dass da ein virtuelles Auto vorbei gefahren sein muss.
Am Dienstag wird die einstige Meisterschülerin von Fritz Schwegler wieder ins Finanzamt gehen und in der Küche die Teller abwaschen. Sie bedient nicht die Gäste, sie bleibt im Hintergrund. Und nach getaner Arbeit wird sie wieder malen. Merkwürdig reduziert. Und wenn es bläulich hinter den Gardinen schimmert, weiß sie, dass die Leute in Flingern irgendeinen Western oder einen Krimi sehen.