Musik zum Sehen, Bilder zum Hören Wenn die Katze Klavier spielt
Düsseldorf · Im Ausstellungshaus Kai 10 erfahren die Besucher, wie man Töne sieht und Bilder hört.
Wie kann man Ton und Musik ausstellen? Wie werden Bilder zu Tönen und Klänge zu Bildern? Zum zehnjährigen Bestehen der Arthena Foundation heißt es im Ausstellungshaus Kai 10: „Listen to the image, look at the sound“, also: „Höre aufs Bild und schaue auf den Ton“. Macht es Sinn, wenn man etwas sieht, was man nicht hört? Fragen über Fragen für eine spannende, sehr ungewöhnliche Ausstellung im Medienhafen.
Gleich der Auftakt macht deutlich, worum es geht: Katja Aufleger zeigt in ihrem 3-Kanal-Video drei Dirigenten, die zwar sehr unterschiedliche Bewegungen machen, die aber das gleiche Orchesterstück dirigieren. Der Betrachter hört nicht, was sie dirigieren. Und die Künstlerin verrät nicht, um welches Stück es sich dreht. Dennoch steht der Betrachter gebannt vor der gestischen „Sprache“ dieser Musiker. Ludwig Seyfarth, Kurator der Ausstellung, erinnert sich an seine Studentenzeit in Hamburg, als er in der Musikhalle ganz oben saß, um die Musiker bei ihrem Spiel zu beobachten.
Wenn das auf Sand gebaute Bild im sonoren Gesang verschwindet
Jürgen Staack artikuliert seit seinen Studien bei Ruff und Williams das Verschwinden von Bildern und Sprache. Das Aussterben lokaler Sprachtraditionen, aber auch die ökonomische Auktionssprache japanischer Thunfischhändler oder die illegal an Mauern angebrachten Telefonnummern chinesischer Tagelöhner sind beredte Beispiele, um die Fotografie aus ihren engen Grenzen zu befreien. In Kai 10 druckt er das Foto „Nordkorea“ mit Tinte auf Quarzsand, der auf einem Tablett liegt. Der Pfiff aber liegt darin, dass er an die Platte das Label eines Lautsprechers angeklebt hat. Aus dieser Box ertönt lautstark der sonore Gesang eines koreanischen Mönchs. Dabei löst der Schall das Bild auf, denn das Bild ist auf Sand gebaut. Eine grandiose Idee.
Ein weiteres Beispiele seiner Kunst ist ein abstraktes Tableau einer Soundaufnahme, die am Computer zum Bild gemacht wurde. Und schließlich legt er acht Lautsprecher unter einen funkelnagelneuen Teppich. Läuft der Besucher über die Wirkware, so hört er die Fußtritte, die Staack auf dem Dünenkamm in der Wüste Gobi in der Mongolei aufgenommen hat.
Brillant ist auch das, was der Amerikaner Cory Arcangel in der Kino-Koje von Kai 10 zeigt. Dieser Fachmann im Umgang mit visuellen und akustischen Daten lässt eine Katze über die Tastatur eines Klaviers laufen, so dass der Betrachter meint, das Tier spiele ein Klavierstück von Arnold Schönberg. Tatsächlich aber hat Arcangel einzelne Ton- und Bildschnipsel mit einem selbst gebauten Programm so zusammengesetzt, dass sich Tonfolgen von Klavierwerken Arnold Schönbergs ergeben. Trocken kommentiert Kurator Ludwig Seyfarth die „Klavierstücke“, indem er sagt: „Viele Menschen werden wahrscheinlich kaum zwischen einer Katzenmusik und einem Stück von Schönberg unterscheiden können.“
Sein Comeback in Düsseldorf feiert Mike Hentz, der 1975 bis 1980 hier als Lebensgefährte der späteren Akademierektorin Irmin Kamp lebte. Der Aktionskünstler schloss sich am Rhein zuerst der Musik-Performance-Gruppe padlt noidlt mit Michael Jansen, dem inzwischen verstorbenen Schlagzeuger Frank Köllges und Andreas Brüning an. Danach war er Mitbegründer der Band Minus Delta t, die im Ratinger Hof auftrat. Für Kai 10 entwickelte Hentz ein Leinwandbild auf dem Boden, auf dem sich die Besucher frei bewegen können und Teil einer Bild- und Klanglandschaft werden.
Seine Arbeit korrespondiert mit der von Julia Bünnagel. Die Bildhauerin aus Köln baut zunächst aus strengen Dreiecks-Kuben mit knallgrünen Seitenstreifen eine Bühne, auf die sie Plattenspieler und Vinylplatten legt. Mal bedeckt sie die gesamte Schallplatte mit künstlichem Grün, mal nur ein Dreieck, mal ein Schriftzeichen. Legt sie nun den Schallplattenarm auf, so hopst er je nach dem Grün verschiedenartig über die Flächen. Die Nadel spielt die Oberfläche ab und nicht die Rille. Der auf diese Weise produzierte Rhythmus wird mit einem Mischer musikalisch verarbeitet. Am 5. September will sie mit Catherine Lorent Stücke von Beethoven sampeln. Lorent beweist andererseits, was für eine brillante Malerin sie ist, die im Dreieck zwischen Luxemburg, Frankreich und Belgien die klassische Kunst vom Barock bis Rokoko verinnerlicht, um sie nun in ihren Bildern spielerisch zu verarbeiten und mit Bass und E-Gitarre, Schlagzeug oder Harmonium auch musikalisch zu begleiten.
Der Amerikaner Sean Snyder arbeitet sich an John Cage ab, indem auch er die „Stille“ komponiert. Er benutzt Töne, deren Wellenfrequenz das menschliche Ohr nicht wahrnimmt. Harmloser ist das Stillleben von Alicja Kwade. Wie in der Werkstatt eines Instrumentenbauers stehen halb fertige Streichinstrumente still und stumm an der Wand. Sie paraphrasieren die Collagen der Kubisten, die aus Fragmenten bestehen.
Info: Kai 10, Kaistraße 10, Bis 8.9., Dienstag bis Sonntag 11-17 Uhr