Düsseldorfer Schauspielhaus Wilfried Schulz: „Leben kommt aus einem Lehmhaufen“
In einem Theaterzelt auf der Kö eröffnet Schauspielintendant Wilfried Schulz in vier Wochen seine erste Düsseldorfer Spielzeit.
Düsseldorf. 200 Tonnen Sand hat der Bagger ins Zelt geschaufelt. Im rotbraunen Haufen in der Manege stecken mannshohe Buchstaben; wie bei einer Leuchtreklame zieht das illuminierte ICH die Aufmerksamkeit an. Wilfried Schulz setzt sich in die letzte Reihe und überblickt die 500 Plätze seines neuen Theaters an der Königsallee Hausnummer 1. Mit einem Taschentuch wischt er den Staub von den Holzbänken. Die Polster fehlen noch. In genau vier Wochen eröffnet der neue Schauspielintendant an diesem Ort seine erste Spielzeit mit „Gilgamesh“ — der ältesten Geschichte der Menschheit.
Der sandige Boden und die einfachen Sitzreihen werden die Zuschauer nicht schrecken, meint Schulz und fragt herausfordernd: „Warum sollten sich die Hamburger und Berliner dafür begeistern und die Düsseldorfer nicht?“ Das Zelt stammt vom Thalia-Theater, auch in Berlin hat es sich bei Festivals bereits bewährt. Der erfahrene Theatermacher erkennt den Reiz der Gegensätze: Draußen braust der Verkehr, Bahnfahrer beeilen sich und Kaufhaus-Passanten bemerkten die exotisch anmutenden Sterne auf den Spitztürmen.
„Drinnen kann man zur Ruhe kommen und wird auf die Grundelemente zurückgeworfen. Leben kommt aus einem Lehmhaufen heraus.“ Mit grundsätzlichen Fragen will Schulz beginnen — sinnlich und poetisch. Dafür dient ihm das Zelt als Zeichen: ein archaisches Halbrund, in dem die Zuschauer sich auch gegenseitig sehen können. Auf „Gilgamesh“ folgt „In 80 Tagen um die Welt“ von Jules Verne — eine Weltvermessung als musikalisch-komödiantisches Familien-Spektakel.
Beide Stücke werden bis Ende Oktober in 35 Vorstellungen gezeigt, danach ist Schluss auf dem Corneliusplatz. „Wenn das hier der ganz große Hit wird, spielen wir auch noch drei Tage länger“, stellt Schulz in Aussicht. Für den kommenden Herbst habe er das Zelt bereits vorgemerkt. Was es kostet, darüber schweigt er. „Es ist Teil der Finanzierung unserer Übergangssituation.“
Das Schauspielhaus am Gründgens-Platz ist geschlossen. Wann Schulz dort wieder einziehen kann, ist weiterhin offen. Verzögerungen im Projekt Kö-Bogen II lassen den Termin in immer weitere Ferne rücken. Der aus Dresden nach Düsseldorf gewechselte Intendant mag über das Thema nicht mehr reden. Zu oft schon hat er seine Prognosen ändern müssen. Oft hat er seinen Ärger und seine Verwunderung über das Verhalten der Verantwortlichen bereits geäußert. „Das sind Verhandlungen, die aber nicht meinen Alltag bestimmen.“ Schulz will Schauspiel zeigen, und das vor allem im Central am Hauptbahnhof als zentraler Spielstätte fürs Repertoire. Bis auf Weiteres.
„Immerhin sind wir mit dem Zelt in Sichtweite des Schauspielhauses.“ Das Zelt sei aber auch ein Bild für die Übergangslösung: „Wir haben kein neues Theater gebaut.“ In der ersten Spielzeit wolle man die Stadt an verschiedenen Orten erobern. Mit einem „Faust-to-go“-Projekt zieht das Theater ab kommendem Jahr in die Stadtteile, dem Jungen Schauspiel an der Münsterstraße weist Schulz eine wichtige Rolle zu. Und eben dem Theaterzelt an der Kö. Dass viele Bürger diesen Ort gerade nicht als Zentrum ihrer Stadt verstehen, weiß auch der Neu-Düsseldorfer. Er steckt das Ziel hoch: „Vielleicht entdecken sie ja die Königsallee durch uns noch einmal neu.“