Zakk: Serdar Somuncu hat ganz miese Laune
Der zornige Kabarettist aus Neuss war mit seinem neuen Programm „Bild lesen“ im Zentrum an der Fichtenstraße. Ob Merkel, Mälzer oder Kerner – alle bekamen ihr Fett weg.
Düsseldorf. Der Abend beginnt für die Zuschauer in den ersten drei Reihen im Zakk mit einer kalten Dusche. Serdar Somuncu bespritzt sie aus seiner Wasserflasche, Strafe für Nichtbeachtung beim Auftritt. "Ich habe schlechte Laune", bellt er die Leute im Saal an. Die Somuncu-Kenner freut’s, denn das verspricht einen amüsanten Abend.
Mit seinem aktuellen Programm "Bild lesen" befindet sich der türkische Kabarettist wieder mal auf einem Feldzug gegen politische Korrektheit, Betroffenheitsduselei und Belanglosigkeit. Vor nichts wird Halt gemacht, kein Thema ist unberührbar: Juden, Nazis, Kindermörder, Islamisten, Politiker und Journalisten, sie alle wandern in den großen Gülle-Topf, den Somuncu über seinem Publikum auskippt: "Ich muss mich kreativ entmüllen."
Dem Publikum im Zakk gefällt es, andernorts hatte man da sehr viel weniger Humor. So spielte Somuncu schon mit kugelsicherer Weste, weil er von randalierenden Neonazis bedroht wurde. Auch sein letzter Auftritt in Soest musste mal wieder unter Polizeischutz stattfinden, weil Somuncu kurz zuvor bei einem Fernsehauftritt Islamisten gegen sich aufgebracht und Morddrohungen erhalten hatte. "Da sehne ich mich ja schon fast wieder nach den Nazis", lästert er unverdrossen weiter.
"Ich weiß auch nicht, was mich allabendlich treibt. Das ist der Teufel in mir", stöhnt er, bevor er eine frisch gedruckte Ausgabe der Bild-Zeitung aus einem Umschlag zieht und den Inhalt genüsslich ausbreitet und seziert. Cora Schumacher und Angela Merkel kriegen ihr Fett ebenso weg wie Johannes B. Kerner ("die Personifizierung des Nichts") oder Fernsehkoch Tim Mälzer.
Er assoziiert Überschriften, Artikel und Anzeigen blitzschnell und spontan miteinander und stellt neue Sinnzusammenhänge her: "Morgen ist Weltfrauentag - Nicht kombinierbar mit anderen Aktionen und Rabatten" oder "Der Dackel stirbt aus - Türke überlebt zehn Jahre mit Kugel im Kopf".
Somuncu lässt sein Publikum selber entscheiden, wo bei ihm der Spaß aufhört und welche Dinge er vielleicht ernst meint. Gelacht werden darf ausnahmslos über alles. So nervt den Mann, den fast alles rasend macht, die in der letzten Zeit oft gestellte Feuilleton-Frage, ob man über Hitler lachen dürfe, auch besonders: "Was ist das für eine unglaublich doofe Frage. Wen fragt man denn da? Gibt es da in Deutschland eine Auskunftsstelle?" Somuncu lacht jedenfalls - laut und dreckig.
Leben Somuncu wurde am 3. Juni 1968 in Istanbul geboren, studierte Schauspiel, Musik, Regie in Maastricht und Wuppertal.
Hitler und Goebbels 1996 hatte er europaweiten Erfolg mit einer szenischen Lesung von ausgewählten Textstellen aus Hitlers "Mein Kampf". 2000 startete Somuncu eine weitere Lesung mit Ausschnitten aus der Sportpalastrede Joseph Goebbels.
Preis Für seine Performance erhielt er den Prix-Pantheon 2004. Im selben Jahr veröffentlichte er die Kurzgeschichten-Sammlung "Getrennte Rechnungen". Seit 1987 leitet er das Kammerensemble in Neuss.