Zu Besuch in der Akademie: Erinnerungen eines Ehemaligen
Der Rundgang war schon zur Studienzeit von Stefan Schneider ein Highlight. Er erinnert sich an Gespenster und große Namen.
Düsseldorf. Im Leben von Stefan Schneider hat der allererste Eindruck von der Kunstakademie eine maßgebliche Rolle gespielt. Nach der Besichtigung der Universitäten in Bochum und Essen beschloss er, das Studentenleben, das sich auf den schwarzen Brettern abspielte, grässlich zu finden. „Tausche Bochum gegen München“, „tausche Essen gegen Marburg — diese Beliebigkeit entsprach so gar nicht seiner Auffassung von einem Studium. „An der Akademie steht die Idee von Lernen im Vordergrund“, sagt Schneider. „Das gefiel mir auf Anhieb.“
Wenn der Musiker und Fotograf Schneider Zeit hat und sich in Düsseldorf aufhält, besucht er wie heute den Rundgang in der Kunstakademie. Nicht aus nostalgischen Gründen, sondern weil es ihm gefällt, dass es in der umgekrempelten Hochschullandschaft nach wie vor Orte gibt, welche die Studenten zur Freiheit anhalten, sie verpflichten, Verantwortung für ihr Tun zu übernehmen. „Unseren Professoren ist es egal, ob wir um acht Uhr in der Akademie sind oder den ganzen Vormittag flippern. Nur bei seiner Kunst muss man bleiben.“
Schneider hat von 1988 bis 1993 Freie Kunst bei Bernd Becher studiert und war dessen Meisterschüler. Auch er habe Zeit gebraucht, um zu verstehen, wie er seine Freiheit so nutzt, dass ein Künstler aus ihm wird. Gar nicht so einfach sei das gewesen. „Als ich an die Akademie kam, sah ich die großen Namen wie Gerhard Richter und Penck. Plötzlich wagte ich es nicht mehr, die einfachen Fragen zu stellen: Warum fotografiere ich? Warum fotografiere ich dieses oder jenes?“
Dem Professor wurde es eines Tages zu bunt. Schneider vermutet, dass ihm das „Katalogkauderwelsch“ auf die Nerven ging, das er sich damals angewöhnt hatte. Der Professor sprach Klartext mit seinem Studenten, der plötzlich vor der Entscheidung stand, das Studium aufzugeben oder weiterzumachen. „Es tat gut, zu hören, wo es hakt“, sagt Schneider. Natürlich blieb er.
Der Raum 312, in dem früher Becher und heute Christopher Williams unterrichtet, liegt unter dem Dach der Akademie. Von dort hat man einen fantastischen Blick auf Düsseldorf. „Wir haben die Fenster oft zugehängt“, sagt Schneider. „Um besser arbeiten zu können und damit sich Besucher auf unsere Arbeiten konzentrierten und nicht auf die Stadtaussicht.“
Die Becherklasse war viele Jahre die einzige Klasse der gesamten Akademie, die beim Rundgang nicht komplett vertreten war. „Während unsere Kommilitonen ausstellten, wurde von uns nur einer, höchstens zwei ausgewählt“, erzählt Schneider. „Die anderen hielt Becher wohl für künstlerisch noch zu unfertig.“ Die Studenten beschwerten sich bei ihrem Professor, der seine Selektion jedoch erst 1992 aufgab.
Schneider erinnert sich noch gut an die Bildhauer-Klasse von Rabinowitch. „Das war eine Art ,Gespensterklasse’. Man hat das ganze Jahr über keinen der Studenten gesehen. Erst beim Rundgang erfuhr man, wer sie sind und was sie machen.“
An diesem Tag gönnt er sich keine große Entdeckungsreise durch die Akademie. Er macht einen Abstecher in die Gursky-Klasse („Das ist ein Ausstellungsraum“) und konzentriert sich auf die Klasse von Katharina Grosse („Das ist ein Labor“). Katharina Grosse und Schneider kennen sich aus ihrer Studienzeit.
Ab April gibt er Grosses Studenten ein Seminar. „Vielleicht mache ich etwas, das die Bewegung schult, das erfrischt das Denken.“ An der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe hat er aus einem Yves-Klein-Seminar einen Judo-Workshop gemacht. „Die wenigsten wissen, dass Yves Klein die Sportart bestens beherrschte. Manche Studenten fanden das Seminar albern und haben gerade deswegen teilgenommen.“
Von den Arbeiten der Grosse-Klasse ist er beeindruckt. „Es ist toll, wie sie die Fragen nach Farbe und Malerei stellen.“ Und es gefällt ihm, dass kein Werk einem Urheber zugeordnet ist. „Man sollte sich immer erst einmal die Sachen anschauen und über die Arbeit zu den Namen kommen.“