Zuschauerkonferenz im Schauspielhaus: Auge in Auge mit den Kritikern

Bei der ersten Zuschauerkonferenz im Schauspielhaus diskutierten 100 Zuschauer mit Intendant und Dramaturgen.

Düsseldorf. Nichts kann vernichtender sein als negative Kritik. Vor allem dann, wenn sie einen ganz unmittelbar trifft, direkt ins Gesicht und darüber hinaus von Menschen, die es wissen müssen.

Auch auf die Gefahr hin, mit einer solchen Kritik konfrontiert zu werden, luden Intendant Staffan Valdemar Holm und Mitarbeiter aus Dramaturgie und Geschäftsführung gestern Morgen zur ersten Zuschauerkonferenz ins „Mutterhaus“ am Gustaf-Gründgens-Platz.

Zunächst in vier Kleingruppen, danach im Rahmen einer Podiumsdiskussion erhielt das sonst passive Publikum Gelegenheit, mit der Theaterleitung ins Gespräch zu kommen, sich gegenseitig Fragen zu stellen und zu beantworten. Wie wird das Schauspielhaus unter der neuen Intendanz wahrgenommen? Welche Inszenierungen haben gefallen? Welche nicht?

Dabei befolgen beide Parteien auf vorbildliche Weise die Regeln der gepflegten Konversation. Brav sitzen Besucher (Durchschnittsalter: 40 Jahre) und Theaterpersonal im Stuhlkreis, man ist höflich, lässt einander ausreden und hört aufmerksam zu. In Gruppe drei, die sich in einen Raum in der ersten Etage zurückgezogen hat, geht es nach kurzem Geplänkel direkt zur Sache.

Harsche Kritik, die jetzt endlich einmal ausgesprochen werden darf, hagelt es allerdings nicht. Im Gegenteil — viele Redner singen wahre Loblieder auf Stücke und Schauspieler. Die Freunde Kjell Brutscheid (15) und Vincent Zur-Linden (17) haben besonders die Stücke „Hamlet“ und „Medea“ im Jungen Schauspielhaus begeistert. Dort ist Kjell selbst schon einmal aufgetreten: als Teil des Ensembles von „Väter und Söhne“. „Insgesamt war ich 34 Mal in dieser Spielzeit im Theater und will jetzt hören, was die anderen denken.“

Auch Verena Meis, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Germanistik der Heine-Uni findet anerkennende Worte für die dramaturgische Umsetzung antiker Stoffe und deren Übertragung ins moderne Zeitalter. „Ich kam in dieser Spielzeit bislang jedes Mal aufgewühlt nach Hause.“ Für ihre Studenten, mit denen sie regelmäßig Aufführungen im Schauspielhaus besucht, wünscht sie sich aber, dass sie noch mehr an die Hand genommen werden. „Es könnte öfter Gespräche mit dem Publikum am Ende einer Vorstellung geben.“

Bei der anschließenden Podiumsdiskussion mit Staffan Holm, Barbara Kantel, Leiterin des Jungen Schauspielhauses und Geschäftsführer Manfred Weber steht ebenfalls weniger die Kritik an Staffan Holm und dessen Arbeit im Vordergrund als mehr die Diskussion gesellschaftlicher Phänomene und deren Einfluss auf die Theaterkultur — wie etwa die Frage danach, auf welche Weise junge Menschen vermehrt ins Theater geholt werden können. Nach einer knappen Stunde zieht der Intendant Bilanz. „Dialog ist wichtig“, sagt er. „Wir nehmen Empfehlungen gerne an, doch Theater darf niemals kundenorientiert sein.“